: Familie getrennt
Nach der Abschiebung ihres Mannes landet eine Frau in der Psychiatrie
Von Andrea Scharpen
Die medizinischen Gutachten zeichnen ein Bild von einer schwerkranken Frau: Eine schwere posttraumatische Belastungsstörung, Depressionen, ein Suizidversuch. Nachts schreckt die 61-Jährige aus Albträumen hoch und schreit: „Sie stehen vor der Tür.“ Sie meint die Polizei in Aserbaidschan. Die hätten ihre ältere Tochter, die sich in einer Oppositionspartei engagierte, mitten in der Nacht abgeholt. Sie sei seitdem verschwunden, hielten mehrere Ärztinnen in ihren Berichten fest, die der taz vorliegen.
Die Frau aus dem Landkreis Wesermarsch zittere am ganzen Körper, stottere und „erscheint nahezu panisch ängstlich“, heißt es dort. Sie werde von ihrer jüngeren Tochter gepflegt und habe große Ängste, „von der Tochter getrennt zu werden“. Doch genau das soll passieren.
Denn die Aufenthaltserlaubnis der 61-Jährigen und ihres Mannes sind abgelaufen. Die Polizei rückte am 16. März zur Abschiebung an und setzte den Ehemann in einen Flieger nach Aserbaidschan. Die 61-Jährige war zu diesem Zeitpunkt im Krankenhaus. Gestoppt wurde die Abschiebung deshalb aber nicht, sondern das Ehepaar voneinander getrennt.
„Das ist so unmenschlich“, sagt Tochter Aynur Huseynova. Ihre Mutter wurde sofort nach der Abschiebung mit Panikattacken in die Psychiatrie eingeliefert. „Sie weint nur und sagt, dass sie nicht mehr leben will.“
Das Innenministerium sieht keinen Hinweis darauf, dass sich die Ausländerbehörde aus dem Kreis Wesermarsch falsch verhalten haben könnte. „Menschen, die nicht freiwillig ausgereist und daher vollziehbar ausreisepflichtig sind, haben das Land zu verlassen“, sagt ein Ministeriumssprecher. Die Ausländerbehörde habe sich bei der Entscheidung für die Abschiebung auf ein Oberverwaltungsgerichtsurteil berufen. Das sah keine „Anhaltspunkte für eine Gefährdung der Frau“ – und auch keine krankheitsbedingte Reiseunfähigkeit, so der Sprecher.
Eine Reiseunfähigkeit liege nur dann vor, „wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers allein durch die Ortsveränderung voraussichtlich wesentlich verschlechtere“. Auch die familiäre Situation sei kein Grund gewesen, um die Abschiebung zu stoppen. „In diesem Fall lag keine Trennung einer Familie mit minderjährigen Kindern vor“, so der Sprecher. Trotzdem werde das Ministerium den Fall noch einmal prüfen.
Huseynova fordert ein Gutachten. „Jeder Arzt wird feststellen, wie krank Mama ist“ – und, so die Hoffnung, die Abschiebung verhindern. „Sonst bringt sie sich sofort um.“
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