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Rockmusik ist reformierbar

Wände von Sound hinter Nebelwänden: Das US-Duo No Age spielte im Berliner Urban Spree

Von Jens Uthoff

Es ist eine ganze Armada von Effektgeräten, die Randy Randall vor sich aufgebaut hat. Rund 20 Pedals mögen es sein, die der Gitarrist der US-Band No Age immer wieder mit seinen Fußspitzen anstupst. Sie verrichten ihren Dienst ganz ausgezeichnet: Im Urban Spree, einem kleinen, dunstigen Club in Berlin-Friedrichshain, mischen sich unter das wummernde Gitarrengrundrauschen immer wieder Loops, Störgeräusche und flirrende Frequenzen. Sie erfordern genaues Hinhören und machen deutlich, dass No Age nicht irgendeine lärmende Rockband sind, wie der Banause denken könnte.

Das Duo aus L. A., das von Dean Allen Spunt, Schlagzeug und Gesang, komplettiert wird, ist am Donnerstagabend erstmals seit fünf Jahren wieder in Berlin zu Gast und stellt sein neues Album „Snares like a Haircut“ vor. No Age, 2005 gegründet, sind geprägt von dem noisigen, sperrigen Punk/Postpunk, für den US-Labels wie SST Records oder Touch and Go in den Achtzigern standen. Diesen Stil haben sie mit ihren bisherigen vier Alben weiterentwickelt, indem sie Klänge aus Genres wie Dream­pop, Ambient und Shoegazer beimischten.

Man merkt den Protagonisten an, woher sie kommen: Die Musik steht im Vordergrund, Randall und Spunt rocken weitgehend unprätentiös vor sich hin, gekleidet in 08/15-Klamotten. Vom Herrn an der Gitarre sieht man meist nur das lockige, schulterlange blonde Haar, das wie eine zugezogene Gardine sein Gesicht dem Blick entzieht. Auf verbales Geplänkel zwischen den Songs verzichten No Age meist, das Publikum zeigt sich aber auch nicht sonderlich kommunikationsfreudig.

Flüche Richtung White House

Nur zu Beginn resümiert Randall, was sich seit ihrer letzten Deutschlandtour in den USA getan hat: Amerika sei zum „shithole“ verkommen, stellt er in Anlehnung an die berühmte Trump-Äußerung fest. Es folgen Flüche Richtung White House. Was soll man da anderes tun, als sich zuzudröhnen? Drummer Spunt fordert mehr Kunstnebel ein, und er soll ihn bekommen, mit zunehmender Dauer des Konzerts löst sich alles in Nebel und Gitarrenwänden auf, manchmal wird die Silhouette des Schlagzeugers mit einem Projektor an die Bühnenrückwand geworfen, sieht cool aus.

No Age spielen Stücke wie „Stuck in the changer“, das wunderbare Mid-Tempo-Stück „Send Me“ und den Titelsong „Snares like a haircut“ vom aktuellen Album, aber auch ältere Hits wie „Teen Creeps“ vom Debüt „Nouns“. All diese Songs seien wärmstens zum Nachgoogeln empfohlen.

Rund 200 Besucher im Urban Spree sind angetan und wippen gedankenversunken vor sich hin. Der kleine Club erweist sich einmal mehr als guter Ort für Rockkonzerte. No Age wiederum sind ein gutes Beispiel dafür, dass in den USA wieder was geht mit der Gitarrenmusik. Während der Rock im Mainstream in diesen Tagen immer noch öder und irrelevanter wird, finden sich im Independent-Bereich jede Menge vielversprechender Bands. In L. A., wo Bands wie Wand oder Feels zu den Guten zählen. Aber auch im Rest des Landes, wo Gruppen wie Priests, Vundabar, Bully oder Sheer Mag zeigen, dass Rockmusik reformierbar ist.

Eine gute Stunde spielen No Age, inklusive zweier Zugaben. Dann hängt Randy Randall seine Gitarre an den Verstärker, drückt auf ein Pedal und lässt es noch ein bisschen dröhnen.

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