: Unter Strom
E-AUTOS Kein Lärm, keine Abgase: Elektrisch betriebenen Fahrzeugen soll die Zukunft gehören. Doch bislang sind Technik und Infrastruktur noch nicht alltagstauglich. In Deutschland testen vier regionale Projekte, was heute schon machbar ist
VON MIRKO HEINEMANN
Das Elektroauto ist keine Erfindung der Neuzeit. Bereits 1905 präsentierte das Unternehmen Siemens-Schuckertwerke GmbH auf der Berliner Autoausstellung ein neuartiges Fahrzeug: die „Elektrische Viktoria“. Sie verfügte über einen Bleiakkumulator und über ein Verfahren, durch das Bremsen Energie zurückzugewinnen. Leider war das Gefährt zu teuer, seine Reichweite mit 80 Kilometern zu gering. Zudem lag die Höchstgeschwindigkeit bei nur 30 Stundenkilometern. Gebaut wurden nur wenige Dutzend Modelle.
Heutige E-Mobile sind der „Elektrischen Viktoria“ voraus – zumindest in Sachen Geschwindigkeit. Ein E-Roadster aus der US-amerikanischen Stromer-Schmiede Tesla schafft über 200 km/h Spitze. Er beschleunigt von 0 auf 100 in weniger als vier Sekunden und lässt damit fast jeden Benziner stehen. Mit 350 Kilometern Reichweite und einem Preis von rund 100.000 Euro eilt er in jeder Hinsicht seiner Konkurrenz voraus. Andere moderne Elektroautos schaffen mit einer Akkuladung in der Regel zwischen 100 und 200 Kilometer. Dazwischen müssen sie sechs bis acht Stunden an die heimische Steckdose.
Damit wäre eines der größten Hindernisse für eine schnelle Umstellung des Individualverkehrs auf elektrisch betriebene Antriebe bereits benannt. Überall wird der E-Mobilität zwar eine goldene Zukunft vorausgesagt – vom Umweltministerium bis zum Verband der Automobilindustrie kommt das einhellige Bekenntnis zur elektrischen Zukunft –, doch voran geht es im Schneckentempo. Erst in diesem Frühjahr haben sich die großen Autohersteller auf einen einheitlichen Schnellladestandard geeinigt. Der soll den Ladevorgang in 15 bis 20 Minuten schaffen – aber eine Infrastruktur steckt in den Kinderschuhen, und richtig praktisch ist die Ladezeit für Reisende immer noch nicht.
So wundert es nicht, dass die Akzeptanz von E-Mobilen noch gering ist. Chancen werden elektrischen Fahrzeugen am ehesten in den Städten zugesprochen, wo die Wege kurz sind und wo – etwa im Rahmen von Car-Sharing-Plattformen – in großem Stil Ladestationen errichtet werden können. Die Verkaufszahlen sprechen für sich: 2011 wurden Deutschland nicht einmal 2.000 Elektroautos verkauft – obwohl viele große Autohersteller bereits entsprechende Modelle im Angebote haben. Nur im Segment der E-Bikes, der E-Scooter und der Pedelecs kommt das Geschäft allmählich in Gang: 2011 wurden in Deutschland 310.000 Elektrofahrräder verkauft.
Um Akzeptanz und technologischer Entwicklung auf die Räder zu helfen, hat die Bundesregierung ein strategisches Ziel ausgegeben: Auf Deutschlands Straßen sollen im Jahr 2020 eine Million E-Fahrzeuge rollen. Auch dieses Ziel gehört zur sogenannten Energiewende, in deren Zuge der benzingetriebene, emissionsintensive Straßenverkehr sukzessive auf CO2-neutrale Antriebstechnik umgestellt werden soll. Der internationale Wettbewerb um das Kompetenzfeld E-Mobilität ist längst entbrannt: China steckt bis 2015 rund 3,3 Milliarden Euro in die Entwicklung von Elektroautos. In einigen von Smog besonders geplagten Städten wird der Kauf eines E-Autos mit umgerechnet bis zu 7.000 Euro gefördert. Käufer in den USA erhalten bis zu 4.500, in Japan bis zu 10.000 Euro.
Deutschland hinkt hinterher: Die Bundesregierung stellt in den nächsten drei Jahren Fördermittel in Höhe von bis zu 180 Millionen Euro zur Verfügung. Sie fließen in sogenannte Schaufensterprojekte, die regional begrenzt sind. Aus einer Vielzahl von Bewerbern wurden vier Regionen ausgewählt: Berlin/Brandenburg, Niedersachsen, Baden-Württemberg und Bayern/Sachsen. Diese Regionen sollen Vorreiter in Sachen E-Mobilität werden. Elektrisch betriebene Busse und E-Car-Sharing-Konzepte sollen hier getestet, neuartige Ladestationen installiert, integrierte Mobilitätskonzepte ausprobiert, vor allem aber soll Werbung für die elektrische Fortbewegungsart gemacht werden.
Elektroautos sind zehn Jahre lang von der Kfz-Steuer befreit. Die Nationale Plattform Elektromobilität (NPE) – ein Gremium aus Vertretern von Industrie, Wissenschaft, Politik, Gewerkschaften und Gesellschaft – will, dass die Regierung noch mehr Anreize für Käufer von E-Autos schafft; etwa Sonderregelungen bei der Abschreibung, eine neue Dienstwagenbesteuerung, zinsgünstige KfW-Kredite für die Anschaffung und eine niedrigere Stromsteuer.
„Warum sollte ich mir ein Elektroauto kaufen, wenn es mich fast 5.000 Euro mehr kostet und ich keinen Cent Förderung bekomme?“, erklärt der Präsident des Bundesverbands E-Mobilität, Kurt Sigl. Er glaubt, dass mit entsprechender Förderung 2020 nicht nur eine, sondern sogar vier bis fünf Millionen elektrisch betriebene Fahrzeuge auf deutschen Straßen möglich sind. Sigl ist überzeugt: „Der Systemwechsel ist nicht mehr aufzuhalten.“ Kehrseite: Die vielen E-Mobile würden Strom verbrauchen, der zusätzlich produziert werden müsste – womöglich von Kohlekraftwerken oder gar Atommeilern. Die Elektrifizierung des Straßenverkehrs macht ohne den verstärkten Ausbau erneuerbarer Energien keinen Sinn. Je mehr Elektrofahrzeuge fahren, desto stärker müsse der Anteil der Erneuerbaren Energien am deutschen Strommix steigen.
Bis dahin sollen die vier „Schaufensterregionen“ zeigen, wie elektrische Mobilität der Zukunft aussehen kann. In Stuttgart setzt die zu Daimler gehörende Car-Sharing-Firma car2go demnächst 500 elektrisch betriebene Smart-Modelle ein. Der Stromanbieter EnBW installiert Ladestationen für Elektroautos. Die Dresdner Verkehrsbetriebe, Partner des bayerisch-sächsischen Schaufensters, planen, eine elektrische Buslinie zu erproben. Niedersachsen präsentiert eine autarke Schnellladesäule, die ausschließlich Sonnen- und Windstrom nutzt. In Berlin-Brandenburg zählt die federführende Berliner Agentur für Elektromobilität eMO 19 Projekte auf. Sie reichen vom Einsatz elektrischer Lieferfahrzeuge in der Citylogistik bis zur Erforschung von Signalklängen für die leisen E-Mobile, um mehr Sicherheit für Fußgänger zu erreichen.