: Weltschmerzim Weltraum
Eine Inszenierung von Stanisław Lems „Solaris“in der Regie von András Dömötör am DT
Von Robert Mießner
Achtung, wenn eine Raumstation eher wie ein Computertomograf aussieht: Ein beengtes Zehneck hat die Bühnenbildnerin Sigi Colpe auf die Bühne der Box, dem kleinen Spielsaal des Deutschen Theaters, gestellt, einen silbernen Wohn- und Arbeitssarg. Für unbestimmte Zeit wird er zur Heimstatt des Psychologen Kris Kelvin. 16 Monate ist er von der Erde unterwegs gewesen, nun trifft er auf der Solaris-Forschungsstation ein. „Solaris“, ein mehrmals verfilmter Roman des polnischen Science-Fiction-Autors Stanisław Lem. Zur bekannten Fassung Andrej Tarkowskis bemerkte Lem, der sowjetische Regisseur habe Dostojewskis „Schuld und Sühne“ ins Weltall verlegt.
Es gibt mehrere Bühnenadaptionen des Stoffes. Die des ungarischen Regisseurs András Dömötör, die am DT zu sehen ist, legt ihren „inhaltlichen Schwerpunkt auf das Thema des Kontakts“, wie Dömötör sagt. Und so stellt sich Kelvin, auf der Bühne in drei Personen präsent, vor: „Mein ganzes Leben hatte ich dem Kontakt gewidmet. Schon seit Langem war die Vorstellung, dass wir nicht allein im Universum waren, keine abwegige mehr. Nur hatte man sich die Begegnung mit einer außerirdischen Lebensform etwas anders vorgestellt. Mehr so wie in den Filmen, wo die Helden immer genau solche Einführungstexte sprechen wie ich jetzt. Mit Musik, leuchtenden Zeigefingern oder grausamen Gesichtsattacken. Aber die Realität war sehr viel verwirrender als das.“
Kelvin wird zu seinem Kontakt kommen, doch erst einmal sieht er sich mit der Leere konfrontiert: „Aber vor mir klaffte schwarz das große Fenster. Die Finsternis starrte mich an, gestaltlos, riesig, augenlos, ohne Grenzen.“ Als er das sagt, hat ihn sein erster Wissenschaftlerkollege Snaut bereits mit dem Satz „Ich kenne dich nicht“ begrüßt und Kelvin die Raumstation und ihre Crew in großer Unordnung vorgefunden. Kelvin wird erfahren, was passiert ist. Er wird mit seiner Vergangenheit konfrontiert werden, mit Gedanken, Gefühlen und Wünschen, die er vergraben geglaubt hatte.
Erster Mensch im All
Lems „Solaris“ ist 1961 erschienen, in dem Jahr, als Juri Gagarin als erster Mensch in den Weltraum flog. Nur ist die Hoffnung auf fremde Welten bei Lem bereits getrübt. Snaut, der kosmische Skeptiker, sagt: „Wir haben allen Sternen und Planeten Namen gegeben, aber vielleicht hatten sie schon Namen?“ Und: „Wir brechen in den Kosmos auf, wir sind auf alles vorbereitet, auf die Einsamkeit, auf den Kampf, auf Martyrium und Tod. Aus Bescheidenheit sprechen wir es nicht laut aus, aber wir denken uns manchmal, dass wir großartig sind. Indessen, indessen ist das nicht alles, und unsere Bereitschaft erweist sich als Theater. Wir wollen gar nicht den Kosmos erobern, wir wollen nur die Erde bis an seine Grenzen erweitern. Wir brauchen keine anderen Welten. Wir brauchen Spiegel.“
In Dömötörs Inszenierung – sie mixt Ernst mit Slapstick – hängt Kelvin am Ende an einem grotesken Gewirr von Schläuchen und Drähten im Raum, seine Gehirnströme werden unter Einsatz von Röntgenstrahlung in den Ozean auf Solaris gesandt. Vor anderthalb Jahren war am DT ein ähnliches Bild zu sehen: Da hing Brechts „Egoist Fatzer“ in der Fassung von Tom Kühnel und Jürgen Kuttner über der Bühne und sprach: „Wie früher Geister kamen aus Vergangenheit / So jetzt aus Zukunft ebenso.“ Ein Satz, der analog in „Solaris“ fallen könnte. Auch mit dem vorsichtig offenen Ende, das Dömötör seiner Bühnenfassung gestattet.
Nächste Vorstellungen: 21. 3., 29. 3., 3. 4.
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