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Entwicklungsminister in der Bewährungsprobe

Gerd Müller wird sich auch in der neuen Regierung um die wirtschaftliche Zusammenarbeit kümmern. Seine Kritiker werfen dem CSU-Politiker Migrationsbekämpfung vor

Von Tanja Tricarico

Gerd Müller ist Horst Seehofers Mann für eine bessere Welt. Weitere vier Jahre soll der CSU-Politiker aus Krumbach im bayerischen Schwaben das Amt des Entwicklungsministers besetzen. Müller, 62, Katholik, Fußballfan, stabilisiert die Brücke ins Außenministerium, ins Innen- und Verteidigungsressort. „Fluchtursachen bekämpfen“ – das hat er sich zur Aufgabe gemacht. Wieder wird er um die Welt reisen und sich das globale Elend anschauen: Hunger, Armut, Klimaschäden, die Folgen von Krieg und Ausbeutung. Und wieder wird er Millio­nen Euro verteilen. Für Schulen, für Ausbildungsplätze, für Aufforstungsprogramme.

Müller ist dann gut, wenn er Menschen trifft – abseits des Protokolls. Im Westjordanland spielte er Fußball in einer UN-Schule. In Jordanien trank er Tee mit einem Mann, der eine syrische Flüchtlingsfamilie in seinem umgebauten Stall untergebracht hat. Das sind Bilder, von denen Pressesprecher träumen. Oder: Im Dschungel der Zentralafrikanischen Republik begab er sich mit dem einheimischen Fährtensucher auf die Spur der Elefanten, watete durch Bäche, stapfte durch den morastigen Regenwald. Fast so wie in der Heimat, sagte er damals.

„Heimat“, das ist für Müller sein Hof, das Allgäu, Bayern. Seit mehr als 20 Jahren ist Berlin sein Dienstort. Noch immer läuft er lieber ins Büro oder nimmt die S-Bahn, als den Fahrdienst des Ministeriums zu bemühen. Ein Schrittezähler zeigt ihm an, wie viel er sich tatsächlich bewegt hat. Internationales Parkett ist nicht unbedingt sein Terrain. Unvergessen ist seine Rede beim Global Citizen Earth Day vor rund zwei Jahren. In fragwürdigem Englisch sagte er der Armut in der Welt den Kampf an. Sein Auftritt war ein Renner in den sozialen Medien.

„Müller ist Überzeugungstäter“, sagt Bernd Bornhorst, Vorsitzender des Entwicklungsverbands Venro. Ein Beispiel: 2014 lehnte er eine Reise zur Fußball-WM in Brasilien ab, weil er die katastrophalen Folgen für Bevölkerung und Umwelt durch den Stadionbau nicht unterstützen wollte. Für Bornhorst ist Müller besser als jeder andere CSU-Politiker und besser als jeder Wechsel im Amt. Denn: Entwicklungspolitik ist ein zähes Geschäft. Nichts, was schnelle Erfolge bringt. Es vergehen Jahre, bis Verbesserungen sichtbar sind.

Rund 130 Organisationen haben sich über Venro zusammengeschlossen. Müller habe es „supergut hingekriegt“, dass der Kampf gegen Armut auf der politischen Agenda gelandet sei. Aber: „Nun muss Müller liefern“, sagt Bornhorst. Die nächsten vier Jahre sieht er als „Bewährungsprobe“. Zum Beispiel was die Entwicklungspartnerschaften mit Afrika angeht. Zum Ende der Legislatur hat die Bundesregierung Ghana, Tunesien und die Elfenbeinküste ausgewählt, um in diesen Ländern private Investitionen voranzutreiben. Müllers Ressort hat die Federführung bei dem Projekt, das Teil des unter Entwicklungsexperten umstrittenen „Marshallplans mit Afrika“ ist.

Und: Bornhorst will sich genau anschauen, wie der Minister gegen ungerechte Handelsverträge vorgehen wird. In nahezu jeder Rede, ob im Bundestag, beim G7-Gipfel, vor den G20-Vertretern und internationalen Gremien, beschwor Müller den Weg vom „freien zum fairen Handel“. Er sprach von mehr Arbeitsschutz entlang der gesamten Lieferkette, von gerechten Löhnen, davon, dass das Gefälle zwischen armen Exportländern und reichen Importstaaten geringer werden muss. So sollte „sein“ Textilbündnis zeigen, dass die Arbeitsbedingungen in der Bekleidungsbranche besser werden können. Müllers „Baby“ findet Bornhorst grundsätzlich gut. Doch freiwillige Selbstverpflichtungen von Unternehmen für mehr Menschenrechte reichen ihm nicht aus.

Wenig optimistisch ist Uwe Kekeritz. Als Sprecher für Entwicklungspolitik der Grünen-Bundestagsfraktion ist Müller sein Sparringspartner im Parlament. „Ich bin nicht glücklich“, sagt er. Müller sei für ihn ein Meister der PR und habe „viele Schnellschüsse fabriziert“. Zum Beispiel die Sonderinitiative „Eine Welt ohne Hunger“. 1,5 Milliarden Euro pro Jahr sagte die Bundesregierung für Ernährungsprojekte zu. „Kurzfristig ist viel Geld für die afrikanischen Staaten bereitgestellt worden. Eine langfristige Strategie oder ein Konzept gab es aber nicht.“ Mit nachhaltiger Entwicklungspolitik hätte dies nichts zu tun, wirft Kekeritz Müller vor.

„Entwicklungspolitik macht Müller zur Sicherheitspolitik“

Niema Movassat, Die Linke

Niema Movassat, Entwicklungsexperte der Linken im Bundestag, bezeichnet Gerd Müller gar als „Heißluftminister“. Er wirft ihm vor, Kleinbauern verdrängt zu haben und vor allem die Zusammenarbeit mit Agrargroßkonzernen voranzutreiben. Sowohl Movassat als auch Kekeritz treibt aber vor allem eine politische Stoßrichtung um: Für beide macht Müller „Entwicklungspolitik zur Sicherheitspolitik“.

Damit sind die vielen Programme gemeint, die Menschen in den afrikanischen Staaten daran hindern sollen, nach Europa aufzubrechen. Natürlich müsse man die Lebensbedingungen verbessern, aber man dürfe Entwicklungsprojekte nicht dazu missbrauchen, um sich abzuschotten, sagt Kekeritz. Scharfe Kritik übt Movassat an Kooperationen mit dem Sudan oder Äthiopien. Hier würden Menschenrechtsbedenken beiseitegeschoben, sagt er.

Eines hat Gerd Müller aber geschafft. Der Etat seines Ressorts wuchs auf mehr als 8 Milliarden Euro – das ist ein Rekordwert. Ob diese Mittel auch nachhaltig eingesetzt werden, daran zweifelt Grünen-Politiker Kekeritz. Er vermutet, dass Union und SPD auch finanziell den Sicherheitsaspekt in der Entwicklungspolitik stärker ausbauen werden.

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