Unbehelligt von der Sklaverei

Was es bedeutet, heute schwarz zu sein: In dem Comic „Black Panther“, dem gleichnamigen Film und Soundtrack geht es um Aushandlungsprozesse

Der Rapper Kendrick Lamar Foto: Christian San Jose

Von Christian Werthschulte

Für seine Fans ist US-Rapper Kendrick Lamar eine Art Heiland mit geflochtenen Zöpfen (sogenannten Cornrows), für sein Plattenlabel aber ist er König Midas. Am Wochenende stieg „Black Panther: The Album“, der Soundtrack zu Marvels neuem Superhelden-Film, auf Platz eins in den US-Charts ein. Lamar selbst geht im Video zu „All the Stars“, seinem Stück mit R&B-Sängerin SZA, auf die Suche nach seinen Wurzeln in Afrika und findet sie bei den Sapeurs, den Dandys aus dem Kongo, ebenso wie bei Science-Fiction-Figuren, die ägyptischen Gottheiten ähneln.

Mit den Gastauftritten von vier Künstlern aus Südafrika geht „Black Panther – The Album“ aber eher lieblos um. Rapperin Yugen Blakrok bekommt am Ende eines Stücks mit Vince Staples einen eher zurückhaltenden Vers zugestanden. Babes Wodumo, die „Queen of Gqom“, darf zwar ein paar Takte auf Xhosa rappen, muss dies aber über einem Afro-House-Instru­mental der beliebigsten Bauart tun.

Der Black-Panther-Soundtrack ist zuerst eine verpasste Gelegenheit. Denn er lässt die wichtigste politische Ästhetik, bei der sich der gleichnamige Kinofilm bedient, aus: Afrofuturismus. Künstler wie die R&B-Sängerin Janelle Monáe, die sich als Androidin stilisiert, der Sample-Collageur Flying Lotus, der Ambient-Musiker King Britt und die elektronische Blues-Produzentin Moor Mother benutzen Technologie, afrikanische Mythologie und Science-Fiction-Motive, um auszuhandeln, was es heute bedeutet, schwarz zu sein. Und gerade bei diesen Künstlern sind die Erwartungen an „Black Panther“ hoch.

„Der Black-Panther-Film löst Glücksgefühle bei einer großen Masse an Zuschauern aus, die ansonsten einer konstanten Unterdrückung durch den Staat ausgesetzt sind,“ sagt Ingrid LaFleur, afrofuturistische Künstlerin aus Detroit. „Die Debatte darf aber nicht mit dem Hype um den Film enden. Ich will sichergehen, dass wir Zukunftsentwürfe haben, in denen schwarze Körper sicher sind und Schwarze ihr eigenes Schicksal in die Hand nehmen können.“

„Black Panther“ ist nur der aktuellste dieser Zukunftsentwürfe in einer langen afrodiasporischen Tradition. T’Challa – „Black Panther“, der Superheld – ist der König des fiktiven Staats Wakanda, der technologisch fortschrittlichsten Nation der Welt. Sie schottet sich von der Außenwelt ab, damit ihre wichtigste Ressource, der außerirdische Rohstoff Vibranium, nicht ausgebeutet werden kann. Wakanda ist nicht nach einem existierenden afrikanischen Staat modelliert, sondern bedient sich bei einem imaginierten Afrika, in dem Menschen autark und unbehelligt vor einer Verschleppung in die Sklaverei ihre Fähigkeiten und Talente entwickeln können.

Tableau aus Band eins der deutschen Black-Panther-Ausgabe: „Ein Volk unter dem Joch“, getextet von Ta-Nehisi Coates, gezeichnet von Brian Stelfreeze Foto: Panini

Spuren dieser Imagination finden sich sowohl in der Sklavenrevolution in Haiti (1793), den Rastafari-Gemeinden in den 1930er Jahren in Jamaika und auch bei der sozialistischen Black Panther Party. 1966 wurde sie kurz nach der Publikation des ersten Black-Panther-Comics im kalifornischen Oakland gegründet. Dort spielt auch die erste Szene des „Black Panther“-Films: Zwei Menschen bereiten sich auf eine bewaffnete Aktion vor, ihr Waffenarsenal ist hinter einem afrikanischen Wandschmuck und einem Poster der Rapcrew Public Enemy versteckt.

Solche Details gehen in der Dramaturgie eines Superhelden-Films mit Kampfszenen leicht unter, aber nicht in den aktuellen Folgen des Black-Panther-Comics. Seine Texter, der National-Book-Award-Gewinner Ta-Nehisi Coates und die US-nigerianische Science-Fiction-Autorin Nnedi Okorafor, legen ihren Figuren Fragen von mythologischen Staatsbegründungen in einer hochtechnisierten Gesellschaft in den Mund und rücken dabei besonders die weiblichen Figuren in den Vordergrund, die in Wakanda die Funktionseliten bilden.

All das existiert nur, weil es Marvel Entertainment und sein Besitzer, der Disney-Konzern, für gewinnbringend halten, in Zeiten von Trump und „Black Lives Matter“ ihren ersten schwarzen Superhelden verstärkt in die Öffentlichkeit zu rücken. Aber hat es wirklich jemals afroamerikanische Popkultur außerhalb kommerzieller Verwertung gegeben? Auch Marvin Gayes Anti-Vietnamkriegs-Album „What’s going on?“ wurde 1970 vom Soul-Label Motown mit der Aussicht auf sichere Einnahmen veröffentlicht. An die Summe, die es auf die Konten von Motown-Chef Berry Gordy spielte, erinnert sich heute keiner mehr. Die Antikriegshymnen von Gaye aber kennt jeder. So wird es auch mit „Black Panther“ sein.

Kendrick Lamar: „Black Panther: The Album“. Original Soundtrack (Top Dawg Entertainment/Universal)

Ta-Nehisi-Coates: „Black Panther: A nation under our feet“ (Marvel);

Nnedi Okorafor: „Black Panther: Long live the King“ (Marvel); deutsche Ausgaben bei Panini