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Und dann brannte auch noch das Finanzamt

Der slowakische Journalist Ján Kuciak und seine Freundin wurden ermordet. Er hatte über illegale Machenschaften berichtet

Bratislava gedenkt Martina K.s und Ján Kuciaks Foto: Jakub Kotian/TASR/ap

Aus Prag Alexandra Mostyn

Der letzte Satz stimmt traurig: Der Autor hat es nicht mehr geschafft, den Artikel zu beenden. Weil er regelrecht hingerichtet wurde. Seine Freundin Martina, mit der der 27-Jährige Hochzeitspläne schmiedete, versuchte den Killern noch zu entkommen. Sie wurde mit einem Schuss in den Kopf ermordet.

Am Mittwoch veröffentlichte das slowakische Webportal aktuality.sk Kuciaks letzten Artikel. Den, den er nicht mehr fertig schreiben konnte. Viele glauben, dass der Grund für die Hinrichtung Kuciaks in diesem Artikel zu finden ist. Denn darin beschreibt er die Verstrickungen der kalabrischen ’Ndrangheta, die bis ins slowakische Regierungsamt reichen.

In dem Artikel beschreibt Kuciak, wie sich angebliche Mitglieder der ’Ndrangheta in der Ostslowakei breitgemacht haben. „Sie begannen, hier Unternehmen zu gründen, Subventionen zu erhalten, aus Eurofonds zu schöpfen, aber auch Beziehungen zu einflussreichen Leuten in der Politik zu knüpfen – bis ins Regierungsamt der Slowakischen Republik“, schreibt Kuciak.

Mafia in der Ostslowakei

Laut Kuciak leben vier Familien mit Mafia-Connections in der Ostslowakei. Sie sind vor allem in den Bereichen Landwirtschaft und Photovoltaik aktiv, mit guten geschäftlichen Beziehungen nach Kalabrien. „Ihnen gehören bis heute einige Dutzend Firmen im Wert von mehreren Millionen Euro im zweistelligen Bereich. Sie bewirtschaften Tausende von Hektar landwirtschaftlicher Fläche, für die sie Millionen an EU-Subventionen erhalten“, steht in dem Text weiter. Kuciak beschreibt Tricks, durch die besagte „Geschäftsmänner“ Mehrwertsteuern für Zahlungen zurückerhalten, die nie getätigt wurden. Mehr noch: Die Italiener sind verbandelt mit der Regierungspartei Smer. Konkret benennt Kuciak in seinem Artikel den Kalabrier Antonin Vadala. Der gilt als eifriger Unterstützer der Smer und des Ministerpräsidenten Robert Fico. „Unsere Partei“ nannte Vadala, der im heimischen Kalabrien schon wegen seiner Verbindungen zum Libri-Clan, einer einflussreichen Gruppe innerhalb der ’Ndrangheta, vor Gericht stand, die Regierungspartei. „Heute wählen wir alle Smer und morgen können wir sicher sein, dass die Slowakei in guten Händen ist“, ließ Vadala während der letzten Kommunalwahlen verlauten.

Für die Partei kandidierte damals auch seine Mitarbeiterin Monika Čorejová, fand Kuciak heraus. Aber die Verstrickungen gehen noch weiter. Vandalas ehemalige Geschäftspartnerin Monika Trošková, ein Ex-Playmate, ist heute die Assistentin von Ministerpräsident Robert Fico. Es war Vandala, der das Model in die hohe Politik gebracht hat.

In der Slowakei, die sich momentan in einer Art Schockzustand befindet, wird die Theorie des Mafia-Mordes fast dankbar angenommen. Niemand kann und will glauben, dass der kaltblütige, professionelle Doppelmord hausgemacht ist. Wer auch immer dahinterstecken mag, die Slowaken sind sich einig: Hier wurde eine rote Linie überschritten. Viele können sich noch gut die 1990er Jahre erinnern. Damals war das Regime des postkommunistischen Potentaten Vladimír Mečiar nicht gerade zimperlich mit seinen Kritikern und Gegnern umgegangen. Mečiars Aktionen hatten dabei zum Teil geradezu bananenrepublikanische Qualitäten: die Entführung des Sohnes des damaligen Präsidenten Michal Kováč durch den slowakischen Geheimdienst zum Beispiel. Einer der Agenten, die damals in diesen Fall involviert waren, wurde ein Jahr später mitten in Bratislava durch eine Autobombe in die Luft gejagt.

Für Unbeteiligte mag sich die Mafia-Theorie anhören wie der Plot aus dem letzten Ludwigshafen-„Tatort“. Doch selbst die größten Zweifler wurden am Dienstagvormittag stutzig, als das Finanzamt der ostslowakischen Metropole Košice (Kaschau) ausbrannte. Genau dort waren die italienischen Firmen registriert, über die Kuciak in seinem letzten Artikel berichtete.

Ján Kuciak war ein Journalist, der wühlte, weil er glaubte, so die Welt ein bisschen besser machen zu können. Ein bisschen naiv ist er vielleicht dabei gewesen, meinen Wegbegleiter. Weil er dabei gar nicht gesehen hat, in welchem Dreck er eigentlich wühlte.

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