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Am liebsten Wollschweine und buntes Gemüse

Mit seltenen Sorten wie goldenem Butterkohl erreicht der Demeter-Hof Rotdorn bei Gifhorn auch Kunden, die sonst keine Bioprodukte kaufen

Von Joachim Göres

Wann laufen die Eier ab? Welches sind die leckersten Möhren? Was ist eigentlich Schwarzkohl? Haben Sie dafür ein Rezept? Dies sind nur einige der vielen Fragen, die den Mitarbeitern des Hofes Rotdorn von Kunden gestellt werden. Der Demeterbetrieb aus Steimke bei Hankensbüttel (Landkreis Gifhorn) steht jeden Mittwoch und Samstag auf dem Wochenmarkt in Celle und bietet seine Biowaren wie Obst, Fleisch, Wurst, Backwaren und Milchprodukte an.

Vor allem sein breites Gemüseangebot fällt ins Auge – dazu gehören Raritäten wie goldener Butterkohl, roter Spitzkohl oder bunte Beete. In Steimke werden 30 Gemüsearten angebaut, darunter 80 Tomaten-, 40 Kürbis- und 15 Kopfsalatsorten. „Es macht Spaß, immer wieder mal was Neues auszuprobieren“, sagt Nicole Knemeyer, für die ihr Gewächshaus ihr Versuchslabor ist.

Vor 25 Jahren hat die Gärtnerin zusammen mit ihrem Mann Rüdiger Korte den konventionellen Nebenerwerbsbetrieb von Kortes Eltern in einen ökologischen Vollerwerbshof verwandelt. Mit sieben Hektar ging es einst los, heute werden sieben Hektar Grünland sowie 17 Hektar Ackerland in Steimke bewirtschaftet, davon 3,5 Hektar mit Gemüse.

Auch fünf Kühe, rund ein Dutzend Schafe und 70 Schweine gehören zum Betrieb, der sich auf die Zucht von Wollschweinen spezialisiert hat. „Wir kombinieren den Gemüseanbau mit der Schweinefreihaltung“, sagt Korte. „Die Schweine liefern den Dünger fürs Gemüse, sie fressen nach der Gemüseernte die Reste auf und nehmen Schädlingen so den Nährboden.“

Dünger muss daher nicht zugekauft werden, großflächige Beregnung ist nicht nötig. „Wenn wir im März Blattläuse sehen, freuen wir uns auf unsere Nützlinge, die dann in Gang kommen“, sagt der 56-Jährige. Zu den Nützlingen gehören Schlupfwespen und Marienkäfer, die durch die große Kulturvielfalt gezielt gefördert werden und die Blattläuse bekämpfen.

Korte ist gelernter Landmaschinentechniker, hat fünf Jahre bei VW am Band gearbeitet und dann eine Umschulung zum Gärtner auf einem Demeter-Hof gemacht. Damals hat er erstmals die Anzucht nach Mondphasen und Planetenkonstellationen kennengelernt. „Die Demeter-Regeln kamen mir zu spooky vor, ich dachte, das ist nichts für mich. Auch heute finde ich nicht alle Demeter-Richtlinien toll. Doch je länger ich dabei bin, desto mehr schätze ich die Gemeinschaft der überzeugten Demeter-Biobauern“, betont der Mann mit dem grauen Filzhut – Kortes Markenzeichen auf dem Wochenmarkt.

Hof Rotdorn gehört zu einem Netz von rund 50 Biohöfen aus ganz Norddeutschland , die unter dem Titel „Unsere Höfe im Norden“ für ihre regionalen Produkte werben. Die Höfe erfüllen alle die Kriterien der Anbauverbände Demeter bzw. Bioland, die strengere Anforderungen an Bioprodukte haben als in der EU-Bioverordnung vorgeschrieben.

Initiiert wurde „Unsere Höfe im Norden“ vom Biogroßhändler Naturkost Nord aus Seevetal. Über Naturkost Nord und andere Großhändler beliefert Hof Rotdorn Bioläden und kauft einen Teil seiner insgesamt 3.000 Artikel zu. 70 Prozent des Umsatzes werden aber auf dem Celler Wochenmarkt erzielt, gefolgt vom Verkauf im eigenen Hofladen. „Wir haben derzeit keine Vollzeitmitarbeiter angestellt, sondern nur Teilzeitkräfte. Es ist schwer, Menschen mit Geschick und Lust für einen ökologischen Betrieb mit viel Handarbeit zu finden. Auch ist unsere Bezahlung auch nicht sonderlich hoch“, räumt Korte ein.

Er kommt nach eigenen Angaben auf 80 Wochenstunden und mehr für seinen Hof, ohne zu klagen: „Wäre ich bei VW geblieben, wären die Arbeitstage kürzer, und ich würde viel mehr verdienen, aber ich wäre sicher nicht glücklicher. Es ist klasse, wenn man als Paar zusammenarbeiten und sich die Familienarbeit aufteilen kann. So waren wir immer für unsere drei Kinder in der Nähe.“

In Steimke werden 30 Gemüsearten angebaut, darunter 80 Tomaten-, 40 Kürbis- und 15 Kopfsalatsorten

Anfangs wurden Knemeyer und Korte schon mal als Spinner oder sogar Betrüger bezeichnet – und das nicht selten. „In unserem 300-Einwohner-Dorf gelten wir immer noch als Exoten, aber es wird anerkannt, dass wir von unserer ökologischen Landwirtschaft leben können. Viele klopfen uns mittlerweile auch auf die Schulter und loben uns für unsere Tierhaltung. Antibiotika mussten wir zuletzt vor acht Jahren bei einem Eber einsetzen“, sagt Korte. Das heiße aber noch lange nicht, „dass sie auch bei uns Fleisch kaufen. Diese Konsequenz aus der Kritik an der Massentierhaltung ziehen nur wenige. Wer nur konventionelles Zeug kauft, dem steht es auch nicht zu, auf die ‚normalen‘ Bauern zu schimpfen.“ Dabei spiele nicht nur der wesentlich höhere Preis für Biofleisch eine Rolle. Manche Kunden äßen eben lieber Wurst mit Nitritpökelsalz, Biowurst ohne diesen Zusatzstoff sei ihnen zu grau.

Die Akzeptanz für Demeterprodukte sei allgemein gestiegen, sagt er. Früher seien meist überzeugte Anhänger der ökologischen Landwirtschaft gekommen, heute erreiche man auf dem Wochenmarkt auch Menschen, die sonst keine Bioware kauften. Auch durch das immer größere Bio-Angebot in Supermärkten und Discountern wachse die potenzielle Kundschaft.

Für Korte ist das eine zweischneidige Entwicklung: „Letztlich siegt oft die Bequemlichkeit, und man kauft dort ein, wo man alles bekommen kann. Nach der Eröffnung eines Biosupermarktes in Celle hatten wir Rückgänge. Inzwischen läuft der Wochenmarkt für uns wieder besser.“

Seit einigen Jahren lädt Hof Rotdorn zweimal im Jahr Kunden nach Steimke ein – im Frühjahr zur Jäteparty und im Herbst dann zur Kürbisernte. „Da kommen viele Familien mit Kindern. Erst wird gearbeitet, dann gegessen und Fußball gespielt. Das ist ein schönes Gemeinschaftserlebnis, bei dem alle Spaß haben und das uns wirklich hilft“, sagt Korte, „denn mit unserem Stammteam kommen wir kaum gegen das Kraut an.“

Hof Rotdorn, Rosenstraße 4, 29386 Obernholz-Steimkewww.hof-rotdorn.dewww.hoefe.bio

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