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Schon mal’ne Frau geküsst?

Das erste lesbische Fernsehmagazin auf diesem Planeten: Im Schwulen Museum kann man alle 27 Folgen der Sendung Läsbisch-TV sehen, die von April 1991 bis zum Mai 1993 auf dem Berliner Sender FAB lief

„Ich und Frau Berger“, Cartoon von Heidi Kull für „Läsbisch-TV“ Foto: Schwules Museum Berlin

Von Tilman Baumgärtel

„Das erste lesbische Fernsehmagazin auf diesem Planeten“ war die Sendung „Läsbisch-TV“, die von April 1991 bis zum Mai 1993 auf dem Berliner Sender FAB lief. Das Magazin richtete sich an eine Zielgruppe, die von den Massenmedien keine Programm­angebote bekam – was sich eigentlich bis heute nicht wirklich geändert hat.

Dass die Sendung heute in sozialen Medien wie YouTube unzensiert gezeigt werden könnte, darf zumindest bezweifelt werden. Denn in dem Magazin gab es in den Reportagen, Features, Musikvideos und Kurzfilmen aus der lesbischen Szene des gerade wiedervereinigten Berlin durchaus auch Material, das man als anstößig betrachten könnte.

Aber in erster Linie war das Programm eine Dienstleistung für die Lesbenszene in Berlin, der es weniger um Aufsehen und Tabubrüche ging als vor allem um Sichtbarkeit. Anders als in der Schwulenszene sei es bei den Lesben nicht vorrangig um Sex gegangen, sagt Mahide Lein, die Initiatorin der Sendung: „Wir waren in der Frauenbewegung aktiv und entsprechend politisiert.“

Geld gab es nicht, am Ende der Ausstrahlung wurde regelmäßig zu Spenden aufgerufen. Doch die unbezahlten Mitarbeiter schufen mit bescheidenen Mitteln – und in einer Zeit, in der noch nicht jedes Mobiltelefon eine Kamera und jeder PC ein Schneidetisch war – überraschende und frische Dokumente Berliner Alltags-, aber auch Clubkultur, wie man zurzeit im Schwulen Museum feststellen kann. Dort sind in einer Medienlounge alle 27 Folgen von „Läsbisch-TV“ zu sehen, die gerade mit Unterstützung der Magnus-Hirschfeld-Stiftung digitalisiert wurden. Auch der Katalog, der für das Digitalisierungsprojekt erstellt wurde, wird gezeigt.

Auf einer Leinwand läuft nun ein Best-of-Zusammenschnitt der Sendungen eins bis zehn. Außerdem gibt es passend zur gerade zu Ende gegangenen Berlinale zwei Berichte über das Filmfestival, wie es in den Jahren 1992 und 1993 stattfand, die zeigen, dass sich bei dem Festival einiges geändert hat, anderes leider gar nicht. In kritischen Beiträgen machten die Reporterinnen damals auf die mangelhafte Repräsentation von Lesben im Filmprogramm der Berlinale aufmerksam und boten mit Filmausschnitten und Interviews von lesbischen Ikonen wie Barbara Hammer und Monika Treut ein Alternativprogramm an.

Auch die Tatsache, dass 1992 von 440 gezeigten Filmen lediglich 44 von Frauen stammten und nur einer mit lesbischer Thematik vertreten war, wurde kritisiert. Das mit der man­gelnden Repräsentation von Lesben und Schwulen bei der Berlinale dürfte sich inzwischen wenigstens graduell verändert haben. Aber dass Frauen im Filmgeschäft vor allen Dingen vor der Kamera zu finden sind, wurde in jüngster Zeit im Zusammenhang mit der #MeToo-Kampagne wieder bewusst gemacht.

Wer will, kann sich im Schwulen Museum auch komplette Sendungen ansehen: Auf zwei Monitoren kann man alle Folgen selbst auswählen und dann in eine untergegangene Welt abtauchen, in der man Veranstaltungen noch im Fernsehen ankündigen musste, weil es kein Face­book gab, und zur Kontaktaufnahme Festnetznummern angegeben wurden.

In erster Linie war das Programm eine Dienstleistung für die Lesbenszene in Berlin, es ging um Sichtbarkeit

Das Programm des Magazins war außerordentlich weit gefächert: Es gab klassische Reportagen, Straßenumfragen (mit Fragen wie „Haben Sie schon einmal eine Frau geküsst?“), aber auch Kurzfilme und Videokunst. In einem Animationsfilm malt Heidi Kull ihre Affäre mit einer verheirateten Nachbarin aus, Natalie Percellier und Kerstin Schleppegrell lassen eine Katze im Abendkleid eine Gavotte tanzen, und in der Videokunst-Arbeit „Was ich schon immer meiner Mutter sagen wollte“ von Susu Grunenberg kehren die Protagonisten ihr Innerstes nach außen.

Stolze 130 Mitarbeiterinnen

So passte die Sendung in das Programm des 2009 in die Insolvenz gegangenen Senders FAB., der als eine Art „Autorenfernsehen“ 1990 von mittelständischen Produzenten gegründet worden war. Man ließ sich auf Themen ein, die vom öffentlich-rechtlichen wie vom kommerziellen Fernsehen ignoriert wurden. Dazu gehörte zunächst die Schwulensendung „Andersrum“, die von Rosa von Praunheim initiiert wurde. Der wollte auch die Lesbenszene einbeziehen, und wand sich darum an die Kulturvermittlerin Mahide Lein, die mit dem Projekt Pelze Multimedia in der Potsdamer Straße einen Anlaufpunkt für lesbische Kulturproduzentinnen geschaffen hatte. Ihr gelang es, in den gut zwei Jahren des Bestehens von „Läsbisch-TV“, das ab 1991 im Berliner Kabel zu sehen war, 130 Frauen zur Mitarbeit zu bewegen.

1993 wurde „Läsbisch-TV“ wie auch „Andersrum“ abgesetzt. Grund war der Umstieg von FAB auf Antenne. Den Sendeverantwortlichen erschienen die beiden Sendungen als zu kontrovers für das hinzugekommene Publikum. Danach lagerte das Videomaterial 26 Jahre lang bei Mahide Lein, die heute mit ihrer Agentur Ahoi als Konzertveranstalterin tätig ist. Im Schwulen Museum ist es nun erstmals wieder in voller Länge zu sehen, bevor es in den nächsten Monaten ausgewählten LSBTIQ- und Frauenarchiven zur Verfügung gestellt wird.

„Läsbisch-TV“ ist bis zum 16. März im Schwulen Museum. Am 11. März findet um 14 Uhr eine Matinee mit den LTV-­Macherinnen statt

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