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Keine Zweitstimme bei der Europawahl

Konservative lehnen EU-weite Wahllisten ab, mit denen Wähler für Kandidaten anderer Länder hätten votieren können. Droht ein Rückschlag für die demokratische Aufwertung des EU-Parlaments?

Von Eric Bonse, Brüssel

Im EU-Parlament in Straßburg ist am Mittwoch der Versuch gescheitert, mehr Demokratie zu wagen und erstmals EU-weite Wahllisten neben den nationalen Listen einzuführen. Bisher können Wähler nur Personen und Parteien aus dem eigenen Land wählen. Mit solchen transnationalen Listen hätte ein Wähler in Deutschland beispielsweise für einen Kandidaten aus Frankreich stimmen können. Doch ausgerechnet die Volksvertreter im Europaparlament sagten dazu Nein.

„Unsere Gruppe hat transnationale Listen zu Fall gebracht“, freute sich die konservative EVP-Fraktion, der auch CDU/CSU angehören. Zusammen mit Rechtskonservativen und wohl auch einigen Linken hatten sie den Vorschlag des Verfassungsausschusses niedergestimmt.

Geplant war, 27 Parlamentssitze, die nach dem britischen EU-Austritt frei werden, für europaweit gewählte Abgeordnete zu reservieren. Auf diesen EU-Listen hätten auch die Spitzenkandidaten der europäischen Parteienfamilien antreten können. Der Wähler hätte wie beim Bundestag zwei Stimmen: eine für die nationalen, eine weitere für die europäischen Listen.

Im Idealfall sollte es schon bei der Europawahl 2019 so weit sein. Doch die Mehrheit im Straßburger Parlament wollte es anders. Sie setzte durch, dass die fraglichen 27 Sitze auf die 28 EU-Länder umverteilt werden; die übrigen britischen Plätze fallen weg. Das Europaparlament wird damit von 751 auf 705 Abgeordnete schrumpfen, die wie bisher auf rein nationalen Listen gewählt werden.

Parallel stimmte das Europaparlament für eine Neuauflage der Spitzenkandidaten: Ins Amt des EU-Kommissionschef wollen sie nur einen Kandidaten wählen, der vorher Spitzenkandidat einer Partei bei der Europawahl war. Dafür sprachen sich auch die Konservativen aus.

Doch ob die Spitzenkandidaten tatsächlich wiederkommen, ist fraglich. Eine Mehrheit der 28 Staats- und Regierungschefs scheint dagegen zu sein. Auch Kanzlerin Angela Merkel hat sich immer wieder skeptisch dazu geäußert. Sollte auch diese Wahlnovelle scheitern, so wäre die demokratische Aufwertung des Europaparlaments in Gefahr, die CDU/CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag versprochen haben. Schon jetzt sind die Sozialdemokraten schwer verärgert.

Die Abgeordneten von CDU und CSU hätten die Wählerinnen und Wähler „um eine zweite Stimme bei den Europawahlen betrogen“, kritisiert der SPD-Abgeordnete Jo Leinen. Anstatt sich einer europaweiten Auseinandersetzung zu stellen, zögen CDU und CSU es vor, sich „in die nationale Wagenburg zurückzuziehen“. Kritik kommt auch von den Grünen.

Demgegenüber verweist der Fraktionschef der Konservativen, Manfred Weber (CSU), auf die Spitzenkandidaten: Da stehe ein „Machtkampf“ mit den EU-Chefs bevor, der wichtiger sei. „Wir müssen näher an die Bürger heran, statt uns von den Bürgern zu entfernen“, begründet Weber seine Ablehnung.

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