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Wolfgang Gast Leuchten der MenschheitDer Deutsche Herbst und Brasiliens Favelas

Man möchte meinen, sie hört nie auf, die Debatte über den Deutschen Herbst. Also um jene Ereignisse, die Herbst 1977 in der Entführung und Ermordung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer durch die Rote Armee Fraktion (RAF) kulminierten.

Anlässlich des 40. Jahrestags des Schleyer-Mords erschienen im vergangenen Herbst zahlreiche neue Bücher zahlreicher RAF-Kenner, und die öffentlich-rechtlichen Sender strahlten ganze Dokuserien aus, die heute noch regelmäßig wiederholt werden. Und in diesen Tagen legte der Autor Stefan Schweizer im Meßkirchner Verlag mit „Die Akte Baader“ nun auch einen „biografischen Roman“ über RAF-Mitbegründer Andreas Baader vor. Kostprobe: „Andreas nickte, um die Worte seiner Geliebten zu bestätigen. Sein spitzbübischer Gesichtsausdruck war schlagartig verschwunden, und man konnte in ihm einen ernsthaften und zu allem entschlossenen jungen Mann erkennen …“

Schade nur, dass unter diesen Veröffentlichungen eine fast untergegangen ist: die Autobiografie von Lutz Taufer unter dem Titel „Über Grenzen. Vom Untergrund in die Favela“ (Assoziation A, Sommer 2017).

Als Mitglied des RAF-Kommandos Holger Meins war Taufer an der Besetzung der Deutschen Botschaft in Stockholm 1975 beteiligt, mit der in Deutschland inhaftierte RAF-Mitglieder freigepresst werden sollten. Sechs Militante nahmen zwölf Geiseln, von denen im Verlauf des Überfalls zwei ermordet wurden. Zwei Kommandomitglieder starben bei einer Sprengstoffexplosion. Die überlebenden Geiselnehmer wurden zu lebenslanger Haft verurteilt.

Nach mehr als 20 Jahre wurde Taufer Ende April 1995 aus der Haft entlassen. Nach einigen Jahren in Uruguay ging er 2002 als Mitarbeiter des Weltfriedensdienstes 2002 nach Rio de Janeiro, arbeitet ein Jahrzehnt in sozialen Projekten in den Favelas. Anfang 2012 kehrte er nach Deutschland zurück, sitzt heute im Vorstand des Weltfriedensdienstes. „Über Grenzen“ zeichnet den Weg Taufers von seiner politischen Radikalisierung über den bewaffneten Kampf bis in die Elendsviertels Brasiliens mit all seinen Widersprüchen nach. Vor allem: Es ist kein biografischer Roman.

Der Autor ist taz-Redakteur

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