: Wenig Zurückhaltung, gewisse Vermutungen
Die agile Kamera folgt den Frauen auf Schritt und Tritt in „Figlia Mia“, einem sardischen Familiendrama von Laura Bispuri (Wettbewerb)
Von Barbara Schweizerhof
Man bezeichnet es gern als Familiengeheimnis, aber es ist nicht das Geheimnis, das die italienische Regisseurin Laura Bispuri in „Figlia Mia“ interessiert. Von der ersten Szene an, in der die zehnjährige Vittoria (Sara Casu) auf einem ländlichen Rodeo die blondlockige Angelica (Alba Rohrwacher) in einer kompromittierenden Situation bei den Toiletten erblickt, sind dem Zuschauer die Verwandtschaftsverhältnisse klar.
Ort der Handlung ist Sardinien, Vittoria mit ihren roten Haaren und Sommersprossen sticht da genauso heraus wie Angelica mit ihrer ebenfalls sehr hellen Haut. Angelicas wenig zurückhaltender Umgang mit Männern legt zusätzlich gewisse Vermutungen nahe. Als dann Tina (Valeria Golino) die Szene betritt, Vittoria schützend in die Arme nimmt und dabei bodenständige Mütterlichkeit ausstrahlt, ist das Terrain für die folgenden Konflikte fest abgesteckt. Das Mädchen Vittoria, bei Tina aufgewachsen, wird erfahren, dass eigentlich Angelica ihre Mutter ist, was die beiden Mütter in einen Konkurrenzkampf treiben wird.
Improvisierte Szenen
Bispuri war vor drei Jahren mit ihrem Film „Sworn Virgin“ im Berlinale-Wettbewerb vertreten. Auch darin ging es um verschiedene Modelle der Weiblichkeit: Alba Rohrwacher spielte eine albanische sworn virgin, eine Frau, die sich um den Preis der Keuschheit für ein Leben als Mann entschieden hat, es sich dann aber anders überlegt, als sie nach Jahren ihre Schwester in Italien besucht.
Wie „Sworn Virgin“ ist auch „Figlia Mia“ in gleichsam improvisierten Szenen um die Konflikte herum angelegt, die hier in der rauen Natürlichkeit Sardiniens mit einheimischen Statisten als Hintergrund ausagiert werden.
So streiten sich die beiden Frauen ohne geschliffene Worte, aber mit viel Emotionen beim Fischeimertragen, beim Stallausmisten oder beim Schnapstrinken in der lokalen Bar, in der Angelica für ein bisschen sexuelle Gefälligkeit Kredit bekommt. Udo Kier hat als nuschelnder Pferdehändler eine kleine Rolle, die mehr irritiert als zur Spannung beiträgt.
Aber auf Suspense hat es Regisseurin Laura Bispuri gar nicht abgesehen. Sie will die Intensität des wahren Lebens mit seinen ambivalenten Gefühlen nachahmen. Die agile Kamera bleibt dazu dicht an den drei Heldinnen und folgt ihren atemlosen Wegen.
Aber der Film als solcher kommt nicht vom Fleck. Trotz zweier großartiger Darstellerinnen wie Golino und Rohrwacher bleibt schließlich nicht verborgen, dass es trotz des feministischen Filmemacherinnenanspruchs um den öden und letztlich altbackenen Gegensatz von „Flittchen“ und „Mama“ geht.
19. 2., 12.30 Uhr, FSP; 19 Uhr, HdBF; 25. 2., 12 Uhr, CinemaxX7
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen