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Archiv-Artikel

Tunesien: Erneut Schlag gegen Bürgerrechtler

Im autokratisch regierten Urlaubsparadies sind Verstöße gegen die Menschenrechte an der Tagesordnung

MADRID taz ■ Die Tunesische Liga für Menschenrechte (LTDH) darf ihren für dieses Wochenende geplanten 6. Kongress nicht abhalten. Das entschied jetzt ein Gericht. Es gab damit einem Antrag von anderen Mitgliedern der LTDH statt. Die Kläger gehören alle auch der Verfassungsmäßigen Demokratischen Versammlung (RCD) an, jener Partei des mit absoluter Macht regierenden Präsidenten Zine al-Abidine Ben Ali und dienen diesem als Feigenblätter in Sachen Menschenrechte. Sie prozessierten gegen den Vorstand der LTDH. Grund: Er habe sie isolieren wollen. Die tunesische Justiz, bekannt für ihre Staatshörigkeit, gab dem Antrag in einem Eilverfahren statt und stoppte sämtliche Kongressvorbereitungen. Als „Schlag der Justiz, um uns in die Knie zu zwingen“ bezeichnet der LTDH-Vorsitzende Mokhtar Trifi die Verfügung. Das Urteil sei „nur ein weiteres Beispiel für den Druck, dem der Vorstand seit langem ausgesetzt ist“. Bereits vor fünf Jahren, als die LTDH ihren 5. Kongress abhielt, kam es im Vorfeld zu einem Prozessmarathon. Neben internationalen Menschenrechtsgruppen stellt sich auch der Präsident des EU-Parlaments, Josep Borrell, hinter die LTDH. Der spanische Sozialist forderte Ben Ali auf „alles zu tun, damit der Kongress stattfinden kann“.

Die 1977 gegründete LTDH ist die älteste Menschenrechtsliga in der arabischen Welt. Sie ist Präsident Ben Ali, der 1987 durch einen Putsch an die Macht kam, ein Dorn im Auge und wurde deshalb in den vergangenen Jahren mit knapp 30 Gerichtsverfahren überzogen.

Keine politische motivierte Verhaftung, kein politischer Prozess vergeht ohne die Proteste der Liga. Die Arbeit geht den Menschenrechtlern dabei nicht aus. Meinungsfreiheit ist ein Fremdwort im Urlaubsparadies. In Tunesien sitzen rund tausend politische Gefangene in Haft. Die meisten von ihnen gehören der nicht zugelassenen islamistischen Bewegung Wiedergeburt (En nahda). Sie wurden zu Beginn der Neunzigerjahre festgenommen, gefoltert und nach unfairen Gerichtsverfahren zu Gefängnisstrafen verurteilt. Den meist gewaltfreien Gefangenen wurden dabei terroristische Aktivitäten vorgeworfen.

Auch Politiker der tunesischen Linken, Menschenrechtsanwälte und kritische Journalisten werden verfolgt. So wurde der unabhängigen, von staatlicher Seite nicht anerkannten Journalistengewerkschaft STJ, diese Woche verboten, ihre Jahresversammlung abzuhalten.

REINER WANDLER