: „Ich hatte nur Bock auf Langlauf. Ein geiler Sport“
Andreas Katz über den plötzlichen Rauswurf aus der Sportförderung, darüber, wie man seine Karriere auf eigene Faust fortsetzt und warum er Pauschalisierungen hasst
Interview Markus Völker
Andreas Katz steht in der Mixed Zone des Alpensia-Langlaufstadions von Pyeongchang. Die 15 Kilometer im freien Stil sind zu Ende. Der Schweizer Dario Cologna hat das Rennen gewonnen, zum dritten Mal bei Olympischen Spielen. Katz, aus dem Badischen stammend, ist auf Platz 25 eingekommen, 1:54:4 Minuten hinter dem Sieger. Er ist nicht zufrieden mit seiner taktischen Leistung, aber das hält ihn nicht davon ab, 20 Minuten in der Sonne zu plaudern.
taz am wochenende: HerrKatz, für jeden Athleten sind die Olympischen Spiele etwas Besonderes, aber Sie können da wahrscheinlich noch einen drauf setzen, oder?
Andreas Katz: Ja, ich habe es ja nicht so einfach gehabt in meiner Karriere. Vor zwei Jahren bin ich aus dem Kader herausgeflogen, war komplett ohne Förderung. Ich war eigentlich schon längst am Aufhören. Wenn man es dann mit diesem Hintergrund und in relativ hohem Alter doch noch zu den Olympischen Spielen schafft, dann ist das etwas Extrabesonderes.
Aber Sie waren früh erfolgreich und wollten eigentlich schon 2010 zu den Spielen in Vancouver fahren?
Ja, ich habe mich halb qualifiziert. Aber ich durfte nicht fahren, obwohl die halbe Mannschaft mit nur einer halben Qualifikation, also einem fehlenden Leistungsnachweis nach Vancouver gefahren ist. Mir hat man damals gesagt: Du bist noch jung, deine Zeit kommt schon noch. Das war hart, sehr hart. Und das, obwohl ich in dem Winter beim Prolog der Tour de Ski Elfter geworden bin, ich sogar auf eigene Faust zum Weltcup nach Otepää gereist bin und dort Zwanzigster geworden bin.
Auf eigene Faust?
Ja, das war eines meiner schönsten Erlebnisse. Es war erst mein dritter Weltcup, und trotzdem landete ich so weit vorn. Das hat mir auch später Mut gemacht, als es hieß: Sorry, Andi, die Bundeswehrstelle ist weg. Das geht fix. Da weiß man dann nicht, was man machen soll.
Und was haben Sie gemacht?
Ich wollte weitermachen. Es gab Leute, die mich unterstützt haben, die ich Tag und Nacht anrufen konnte. In Ruhpolding war das zum Beispiel Karl Zellner, der Vater der Ex-Biathletin Martina Zellner. Wenn man alles selber organisieren und finanzieren muss, dann sieht man, wer ein wahrer Freund ist. Bist du erst einmal bei Olympia, kannst du dich vor neuen Freunden kaum noch retten.
Sind Sie jetzt wieder in der Bundeswehr?
Ja, seit letztem Jahr bin ich wieder dabei, bin aber nach einer Schulterverletzung von Leistungsgruppe 1a in Leistungsgruppe 1b herabgestuft worden. Man ist so verdammt schnell weg vom Fenster, und es interessiert einfach keinen, was aus dir wird. Deswegen habe ich mich auch immer neben dem Sport um den Beruf gekümmert. Ich habe einen Abschluss als Bürokaufmann, als technischer Kommunikationsassistent und war auch schon an der FHS Köln als Sportstudent eingeschrieben.
Wird man zu schnell aus dem Leistungssportsystem rausgekickt?
Im Langlauf braucht es Zeit, um erfolgreich zu sein. Deswegen müsste man zwischen den verschiedenen Sportarten differenzieren. Skispringer können schon mit zwanzig top sein, Langläufer brauchen länger, um die Ausdauerleistung zu stabilisieren. Mit uns müsste man mehr Geduld haben.
Was hat Sie nach dem Verlust des Kaderstatus motiviert weiterzumachen?
Ich habe mich gefragt, was ich gern machen würde, wenn ich ein Jahr lang Zeit hätte für ein Projekt.
Und?
Der 30-Jährige hat das Langlaufen im Schwarzwald gelernt; schon als 5-Jähriger trat er dem SV Baiersbronn bei. 2009 trat er erstmals beim Weltcup an, 2010, bei der U23-WM in Hinterzarten, konnte er eine Bronzemedaille im Skiathlon gewinnen. 2014 wurde er Deutscher Meister über 10 Kilometer klassisch und im 15-Kilometer- Massenstartrennen. 2016 wurde er bei der Tour de Ski 16. In Pyeongchang bestreitet er seine ersten Olympischen Spiele.
Andere machen eine Weltreise, aber ich hatte nur Bock auf Langlauf. Das ist ein total geiler Sport. Ich mache den so gern. Ich wollte rausgehen, trainieren, das Optimum aus mir herausholen, Spaß haben und total kaputt zu Hause ins Bett fallen. Das wollte ich unbedingt.
Warum ist der deutsche Langlauf nicht mehr auf dem Niveau früherer Jahre, als Axel Teichmann und Tobias Angerer vorn mitliefen?
Schwierig. Das waren Ausnahmetalente. Das war eine besonders starke Generation. So oft kommt das nicht vor. Ich weiß nicht, ob wir jetzt hinterher sind, das müssen andere entscheiden. Aber ich hoffe, es gibt genug Leute im Deutschen Skiverband, die den Weitblick haben, um uns wieder nach vorn zu bringen.
In jüngster Zeit wurde über die auffälligen Blutwerte vieler Langläufer gesprochen, die sich auf einer geleakten Liste des Weltverbands Fis befinden. Namen wurden nicht bekannt, aber 22 Fälle betreffen deutsche Langläufer.
Das war bei uns natürlich ein Thema innerhalb der Mannschaft. Ich finde es erschreckend, dass so viele Verdachtsmomente im Raum stehen, aber auch so viele Pauschalisierungen. Es wird im Endeffekt ein Generalverdacht gegen unsere Sportart geäußert. Ich kann nur für mich sprechen: Ich bin total sauber. Ich hab nirgendwo auch nur ansatzweise irgendwas gemacht. Das alles führt natürlich zu einer gewissen Verärgerung, weil ich mich zu einem Thema äußern muss, mit dem ich null Komma nichts zu tun habe.
Würden Sie für andere die Hand ins Feuer legen?
Nein , ich kann nur für mich sprechen. Aber ich denke, bei meinen Mannschaftskollegen sieht es genau gleich aus.
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