: Laut und ungeschliffen
Exfinanzsenator Claus Grobecker ist tot. Mit ihm ist auch ein Stück alter Bremer Sozialdemokratie gestorben
Von Klaus Wolschner
Claus Grobecker inszenierte seine proletarische Herkunft geradezu – mit lauter, ungeschliffener Sprache und mit einer sehr direkten Art. Er war mit einem Volksschulabschluss Drucker geworden und machte über die Industriegewerkschaft Druck und Papier Karriere – auch in der SPD. Jetzt ist er mit 82 Jahren in Bremen gestorben.
1967 zog er in die Bremische Bürgerschaft – als Arbeitsmarkt- und Sozialpolitiker. Mit 35 Jahren rückte er in den Bundestag und brachte es dort bis zum parlamentarischen Staatssekretär für Finanzen in den letzten Monaten von Bundeskanzler Helmut Schmidt. 1983 kam er nach Bremen zurück – zunächst als Senator für Arbeit und von 1985 bis 1991 Finanzsenator. Aus dieser Zeit stammt sein Spruch: Ehe er einem Unternehmer einen Termin gebe, erkundige er sich über dessen Steuermoral. Man nahm ihm das ab – obwohl es natürlich rechtswidrig gewesen wäre, wenn ein Finanzbeamter das Steuergeheimnis gebrochen hätte.
Arbeitssenator wurde Grobecker, nachdem 1983 die Bremer Traditionswerft AG Weser geschlossen worden war. Er bemühte sich, Ersatzarbeitsplätze auf dem Gelände zu schaffen. Trotz erheblicher Subventionen an den Anstrich-Unternehmer Martin Grunau endete das in einer Pleite. Aber Grobecker hatte gute Presse: „Firmen laufen vom Stapel“ titelte Die Zeit 1984 über Grobeckers AG-Weser-Erfolge. Was bei der Wochenzeitung keiner wusste: Die Autorin war Grobeckers Lebensgefährtin.
Als Bremens Bürgermeister Klaus Wedemeier (SPD) 1991 Grüne und FDP als Koalitionspartner ins Koalitions-Boot holen musste, wolle er Grobecker nicht dabei haben. Sein Stil passte ihm immer weniger.
Zu lautstarkem Streit auf dem Flur des Rathauses, so berichteten damals Angestellte, hatte ein besonderer Vorgang geführt. Auf einem Kopierer im Finanzressort hatte Grobecker damals einen Brief vergessen, in dem er dem „lieben Detlev“ (Griesche), dem haushaltspolitischen Sprecher der SPD, den Posten des Direktors der Hochschule für Öffentliche Verwaltung zusagte. Mit ähnlichen Versorgungsangeboten hatte sich Grobecker immer wieder der Loyalität anderer Politiker versichert.
Aus seiner Zeit als Aufsichtsratsvorsitzender der damals kommunalen Stadtwerke genoss Grobecker einen 50-Prozent-Rabatt auf Strom und Gas. Im Stadtwerke-Untersuchungsausschuss musste er sich 1993 dafür rechtfertigen – und erklärte, typisch Grobecker, der Vorstand der Stadtwerke sei verantwortlich und er werde, anders als Spitzengenossen wie Wedemeier oder Hans Koschnick, das Geld nicht nachzahlen.
Seit dem Ende seiner politische Karriere 1991 war das Bremer Original Grobecker in der Öffentlichkeit vor allem an seinem Stammtisch im „Kaiser Frieseich“ im Schnoor zu sehen – und zu hören.
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