Heul
doch

Foto: Jürgen Wolter

Ein Loblied auf die gute alte Zivilschutzsirene, wie sie heute oft noch als Mahnmal ihres Verschwindens – also ungenutzt – auf Dächern zumeist öffentlicher Gebäude emporragt, wird das. Mit ihr – in Zeiten, als es noch den Knopf gab, sie fachgerecht zu bedienen – wäre, was vergangene Woche die Menschen in Hawaii für die Ewigkeit von 38 Minuten in Bange und Schrecken versetzt hat, nicht passiert. Jemand hatte dort einen falschen Knopf gedrückt, sodass die Warnung vor einem unmittelbar bevorstehenden Raketenangriff umgehend auf Hunderttausende Mobiltelefone gespielt wurde und deren Besitzer sofort taten, was ihnen geraten: Schutzräume aufsuchen, dabei Panik versuchen zu vermeiden und sich gerade deshalb von ihr übermannen lassen.

Die Zivilschutzsirene, einem grauen Regenschirm gleichend, wäre bei uns im Dorf bei Bedarf vom Ortsbrandmeister in Gang gesetzt worden. Den kannte jeder, der galt als einigermaßen klar im Kopf und verantwortungsbewusst, wenn nicht gerade Kirmes war und er etwas zu lang an der Bierbude gesehen wurde. Nun hätte er an genau so einem langen Kirmestag einen Fehlalarm auslösen können. Aber da hätte ja jeder gewusst, nee, nee, is’ nix, is’ ja Kirmes. Und insofern ist das nun doch eher ein Loblied aufs Dorf und seinen Umgang mit Panik­attacken. Man weiß voneinander, man weiß, was los ist.

Oder ist es ein Loblied aufs Vor-Handy-Zeitalter? Weil der Sirenenruf keine Panik ausgelöst hätte, denn man bekam die Alarmmeldung ja nicht direkt in die Hosentasche, sondern hörte da etwas und guckte erst mal raus, um zu sehen, was die anderen so machen. Und wenn da jemand gerannt wäre, dann hätte man ja auch noch losrennen können.

Wie auch immer: Glück hat, wer heute noch in Rufweite einer Zivilschutzsirene lebt, denn 1993 wurde das Sirenennetz mit damals 80.000 Standorten den Gemeinden kostenlos vom Bund zur Übernahme angeboten, 40.000 Sirenen wurden abgebaut und, so schreibt es das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, „auch die Auslöseinfrastruktur (Warnämter, Sirenensteuernetz)“ wurde aufgelöst. Bundesweit verblieben sind 15.000 Sirenen, von denen ein einminütiger Heulton zur Warnung gesendet werden kann. Die Weltlage sagt: Wieder mehr davon, zurück zur Sirene. Felix Zimmermann