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Nicht weitvom Stamm

Mit seinem Stück „Söhne“ bietet der Schauspieler Christoph Jöde einen klugen und bewegenden Einblick in die Welt von Vätern und Söhnen. Biografische Erdung inklusive

Von Frank Keil

Dass der Sohn in die Fußstapfen des Vaters tritt – eine schöne Vorstellung für die Väter. Und manchmal auch für die Söhne – das kommt darauf an. Beim Schauspieler Christoph Jöde, zuletzt am Schauspielhaus in Dortmund unterwegs, war es das Künstlerische, das Musikalische, das Spielerische, das er mitbekam.

Und das er am Ende annahm: Sein Vater Ulf Jöde arbeitete jahrzehntelang als Musiklehrer am Gymnasium Hochrad in Othmarschen. Und realisierte dort Chorkonzerte und vor allem Musicals, wo er meist auch die Hauptrolle übernahm. Und schritt hinterher stolz wie Bolle durch die Schule: der Lehrer, der ein Regisseur und Schauspieler und also Künstler ist, bewundert von den Schülern und vom Sohn, der den Vater fast wie verwandelt kennenlernen konnte.

Und der Sohn hat wieder eine eigene Geschichte, eine weitere Geschichte von Vater und Sohn – wie Christoph Jöde langsam klar wurde, als er im väterlichen Haushalt zufällig auf einen Stapel Tonbänder stieß: besprochen von Fritz Jöde, Vater von Ulf, also Großvater von Christoph, wobei sich beide nie persönlich begegnet sind.

Fritz Jöde erzählt auf diesen Bändern aus seinem Leben: wie er aus einem unangesehenen Beruf als Schuhmacher herausfand und Chorleiter wurde; wie er die Menschen zum Singen bewegen konnte, vor allem zum offenen Singen auf Bühnen und Plätzen. Und Musikschulen gründete, um die zu erreichen, die sagten, dass sie nicht singen könnten und nichts von Noten verstünden.

Unter den Nazis hat er zunächst Schwierigkeiten, kann aber bald im Münchner Jugendfunk leitend arbeiten, wird ­NSDAP-Mitglied; nach dem Krieg dann ist er unter anderem in Hamburg Leiter des Amtes für Jugend und Schulmusik. Und ein einziges Kind wird er haben: Ulf, 1940 geboren und also heute 77 Jahre alt.

Fritz Jödes Stimme erklingt gelegentlich vom Band, passend verrauscht und knarrend, während Christoph und Ulf Jöde auf der Bühne stehen und ihr Stück spielen, das von ihnen erzählt und für das Christoph Jöde den Text geschrieben und für das er Regie geführt hat. Ein Stück mit dem harmlosen, aber treffenden Titel „Söhne“. Ein Stück für Vater und Sohn, die anfangs in Unterwäsche im Scheinwerferlicht auf der Bühne stehen und sich langsam anziehen, während das Publikum sich setzt: erst die Strümpfe, dann das Hemd, die Anzugshose, die Anzugsjacke, die Krawatte und zum Schluss die schwarz glänzenden Schuhe.

Und der Sohn spielt den Sohn und der Vater spielt den Vater. Und sie spielen ihr Vater-Sohn-Leben. Über das Stück sprechen sie und spielen es, und sie spielen, wie sie wieder über das Stück sprechen, dass sie da spielen; sie tauchen in ihre Familienvergangenheit ein, sie musizieren und kommen vom Musizieren ab; sie finden zu den großen Themen: dem Aufwachsen, den Erwartungen, die man jeweils an sie hatte und die sie an sich hatten.

Und hin und wieder stolpert eine hektische, vierköpfige und lebenslustige Band auf die Bühne, unterbricht, stört und ergänzt sie. Stolpert wieder davon, lässt Vater und Sohn wieder allein. Die greifen zum Cello, finden zurück ins Damals, als noch nicht klar war, ob der Sohn dem Vater folgen oder ob alles ganz anders wird.

„Er war ja ein kränkliches Kind, aber er hat sich gut entwickelt“, sagt der Vater, der den Vater spielt. Und: „Er ist halt schon immer so gewesen.“ Einer, der sich zurückzog, der gern für sich war; nicht laut, eher leise und nachdenklich und oft still. Und sei es nicht schön, dass nun er, der Vater, in dem Stück spielt, dass er, der Sohn geschrieben habe, der nun gleich auf die Bühne komme? Und da kommt er schon, festen Schrittes, bis er ins Stolpern kommt.

Und das wird – und das ist ja nicht unwichtig – sehr schön gespielt. Kraftvoll, energiegeladen und manchmal fast berserkerhaft von Christoph Jöde; passend zurückhaltender und angemessen langsamer von Ulf Jöde, der ja nicht mehr der Jüngste ist.

Und während ein Leben an uns vorbeizieht, das wir kennenlernen, wird auch klar, was für einen Traum sich Vater und Sohn da erfüllt haben: einmal zusammen auf einer Bühne zu stehen und zu spielen; und zwar keine abstrakten Rollen, sondern sich selbst: Vater und Sohn als Vater und Sohn. Was für ein Glück, was für ein Geschenk, was auch für eine durchaus schweißtreibende Arbeit, die geleistet wird, während wir zuschauen, während wir lachen und kichern und immer wieder auch ergriffen sind.

„Ich bin noch da“, ruft der Vater irgendwann in den Raum, mehrfach, für sich, für seinen Sohn. Und wir alle wissen spätestens jetzt: Das wird nicht so bleiben, das wird sich ändern, irgendwann. Aber noch nicht jetzt; noch lange nicht.

Sa, 20. 1., 20 Uhr + So, 21. 1., 19 Uhr, Lichthof-Theater

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