berliner szenen: Hilfe in Not in stockdunkler Nacht
Seit Tagen habe ich ein stechendes Ziehen im Mund und keine Zeit, zu meiner Zahnärztin zu gehen. An einem Mittwoch um 22 Uhr wird der Schmerz unerträglich. Ich fahre zur Notambulanz des Benjamin-Franklin-Krankenhauses.
Laut Google Maps ist die Klinik nur vier Minuten vom S-Bahnhof Heidelberger Platz entfernt. Mein Handy-Akku aber gibt auf. Vor dem S-Bahnhof frage ich eine Frau nach dem Weg. Sie spricht fast kein Deutsch, meint aber, sich auszukennen, und schickt mich zum Sankt-Gertrauden-Krankenhaus.
Ich frage eine weitere Frau. Sie sagt: „Zurück zur S-Bahn und geradeaus.“ Ich kann mich vor Schmerzen kaum konzentrieren und finde mein Ziel nicht. Ein Mann schickt mich in eine Seitenstraße und sagt, ich solle vier Straßen laufen und dann nach links.
Es ist stockduster, die Straßenlaternen sind ausgefallen. Ich sehe auf die Uhr. Mittlerweile ist es 23.45 Uhr, um eins schließt die Notaufnahme.
Ich entdecke ein Restaurant und frage vier davorstehende Frauen nach dem Weg. Eine von ihnen sagt: „Wissen Sie was, ich fahre Sie.“
Dankbar erwidere ich: „Das ist mehr als nett. Gerade heute erst habe ich noch etwas über zunehmende soziale Kälte gelesen.“ Sie lächelt: „Ach, Deutsche würden so was vermutlich echt nicht machen. Ich bin Iranerin.“ Vor der Klinik wartet sie, ob ich reinkomme, und erklärt: „Sonst fahre ich dich woanders hin.“
Die Tür aber geht auf. Der Arzt hört sich die Symptome an, untersucht Zähne und Zahnfleisch und erklärt: „Nichts zu erkennen.“ Ich frage: „Röntgen?“ Er schüttelt bedauernd den Kopf: „Unser Röntgengerät ist schon lange kaputt.“
Er kramt eine Packung Ibuprofen aus einer Schublade und sagt: „Mit denen kommen Sie hoffentlich über die Nacht. Morgen müssen Sie in eine richtige Praxis. Hier bei uns wird leider an allem gespart.“ Eva-Lena Lörzer
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