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Schriller Kammerton

Jeder gegen jeden: Die ehrbaren Kaufleute in der Handelskammer tragen nur noch Händel aus

Von Sven-Michael Veit

Der Kammerton wird zusehends schriller. Seit die „Kammerrebellen“ zu Jahresbeginn bei den Wahlen zum Kammerplenum 55 von 58 Sitzen errangen und die altehrwürdigen Kaufleute samt Hauptgeschäftsführer aus dem Hause jagten, ist die Stimmung eisig am Adolphsplatz. Und der Tiefpunkt wird am heutigen Donnerstag erwartet: Bei der Jahresabschlussveranstaltung „Versammlung eines Ehrbaren Kaufmanns“ dürfte es wenig diplomatisch zugehen.

Vier ehemalige Kammer-Präsides kündigten am 23. Dezember an, dem traditionellen Event fernzubleiben. Nikolaus W. Schües, Karl-Joachim Dreyer, Peter Möhrle und Fritz Horst Melsheimer werfen ihrem Nachfolger Tobias Bergmann von den „Kammerrebellen“ Wahlbetrug vor. Außerdem führe Bergmann die Wirtschaftsvertretung in die politische Bedeutungslosigkeit, so ihre Kritik. Dass in diesem Jahr auch zum ersten Mal Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) vor den Ehrbaren Kaufleuten sprechen dürfe, bezeichneten sie als „radikalen Traditionsbruch“. Insgesamt habe das Ansehen der Handelskammer in diesem Jahr schwer gelitten.

Bergmann, der auf der Versammlung die Hauptrede halten wird, ließ seinen Vize Torsten Teichert nach Weihnachten öffentlich zurückkoffern: „Ausgemachte Unwahrheiten“, „böse Unterstellungen“, „eklatantes Demokratiedefizit“ lauten seine Vorwürfe an die vier altgedienten Nadelstreifen. Schriller geht es kaum, stiller aber wird es nicht werden.

Denn schon der Termin ist eine unerhörte Neuerung. Bislang fand die „Versammlung eines Ehrbaren Kaufmanns“ (VEEK) immer am Mittag des Silvestertages statt, jetzt wurde sie erstmals um zwei Tage vorverlegt. Der Trägerverein mit seinen 1.160 eingeschriebenen hanseatischen Mitgliedern hat sich nach jahrhundertelanger Symbiose von der rebellischen Handelskammer losgesagt und will fürderhin sein eigenes Ding machen. Aber nicht mehr unter dem Dach der Handelskammer. Wo die Versammlung 2018 stattfinden soll und in welchem Gewand, ist vollkommen offen.

Den Bürgermeister eingeladen hat indes nicht Präses Bergmann, selbst Sozialdemokrat, sondern der VEEK. Zum 500. Jubiläum der Versammlung solle dies „ein einmaliges Ereignis“ sein, teilt Senatssprecher Jörg Schmoll mit. Dass das eigene Pfeffersack-Kollegium die Einladung ausgesprochen hat, wussten die vier boykottwilligen Ex-Präsides offenbar nicht, die den „Traditionsbruch“ Bergmann vorwerfen. Ein weiteres Indiz dafür, dass in der Kammer der Dialog der Kakophonie gewichen ist.

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