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Das Verschwundene zeigen

Selbstbezeichnung reicht: Wer sich in Norwegen Waldfinne nennt, ist einer. Wie der Fotograf Terje Abusdal.So entsteht eine untergegangene Kultur im Übertragenen wieder neu – nun ohne Zwang, sich abzugrenzen

Frau mit Schamanentrommel

Fotos Terje AbusdalText Waltraud Schwab

Nicht ausgeschlossen, dass eine Minderheit in Norwegen, die Waldfinnen nämlich, vormachen, dass Identität fließend ist, dass Identität eine Wahrnehmung ist, die andere Identitäten nicht ausschließt, sondern im Gegenteil im besten Falle sogar zum Geschenk werden kann, das einfach so weitergegeben wird. Der norwegische Fotograf Terje Abusdal hat das verstanden.

Roden und Verbrennen

Die Waldfinnen sind eine Minderheit in Norwegen, deren Sprache und Kultur verloren ist – einzig, wie sie ihre Nahrungsmittel anbauten, ist bekannt. Im 17. Jahrhundert wanderten sie von Finnland aus nach Schweden und Norwegen ein, auf der Suche nach Wald, den sie brandroden und auf dessen Asche sie Getreide anbauen konnten. Auf frisch abgebrannten Flächen war der Ertrag sehr hoch. War die Erde erschöpft, zogen sie weiter.

Ein weißes Ren

Mit der aufkommenden Industrialisierung gerieten die Waldfinnen in Konkurrenz mit den Industriezweigen, die Holz brauchten, um Energie zu erzeugen. Im Laufe der Jahrhunderte wurde Brandrodung schwieriger und teils auch untersagt, die Waldfinnen gingen weitgehend in der lokalen Bevölkerung auf, viele wurden Köhler.

Im Jahr 2014 fuhr Terje Abusdal in den Norden Norwegens, um über Waldfinnen eine fotografische Dokumentation zu machen, es sollte seine Abschlussarbeit an der Journalistenschule sein. „Landschaften, Porträts, Innenräume – so war das geplant“, sagt er am Telefon. Eine Momentaufnahme, ein Hier und Jetzt.

Der Weg in den Wald

Doch dann kapierte er, dass die Gegenwart der Waldfinnen nur dann verstanden werden kann, wenn die verlorene Vergangenheit mitschwingt. Seither versucht er, in seiner Fotografie diese Mehrdimensionalität der Zeit zu zeigen. Etwa bearbeitet er seine Fotos mit Bunsenbrenner und zeigt den Zwischenstand zwischen Sein und Verschwinden.

Ein Hut aus Baumrinde

So werden seine Foto das Tor zu einer Zeitreise, die das, was ist, mit dem, was war, verschmilzt. „Ich wollte das Reale und das, was jenseits des Realen ist“, sagt er. „Ich wollte fotografisch eine Mischung aus Tatsache und Fiktion.“ Die Arbeit ist, obwohl noch nicht abgeschlossen, bereits mehrfach mit Preisen ausgezeichnet, darunter der Oskar-Barnack-Award 2017.

Eine Waldfinnin

Bevor er Fotograf wurde, studierte Abusdal Wirtschaftswissenschaft und Tourismus und war Berater für nachhaltigen Tourismus. Der 38-Jährige will die Fotografie von ihrem Gegenteil her zeigen: Nicht das, was sichtbar ist, soll zu sehen sein, sondern das, was unsichtbar bleibt. Es hätte mit der Idee von Magie zu tun und damit, dass alles in der Natur eine Seele hat. „Die Waldfinnen hatten ein schamanistisches Naturverständnis“, sagt er.

Wald, Eis und Feuer

Als er in den Norden gefahren sei, um die Nachkommen der ehemaligen Minderheit, die sich heute alle als Norweger bezeichnen und auch nicht aus dem Wald kommen, zu treffen, hätte er immer wieder gefragt, wann ist man Waldfinne. Und die Antwort: Wenn du dich so fühlst.

Gefragt, ob er, der Fotograf, sich auch als Waldfinne fühlt, antwortet er: „Ja, wenn ich dort bin. Dann fühle ich eine Verbindung mit dem Ort.“

Slash & Burn – Roden und Verbrennen heißt das Buch mit Terje Abusdals Fotos über die Waldfinnen. Es wird im Sommer 2018 im Kehrer Verlag erscheinen (180 Seiten, ca. 45 Euro).

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