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Kommentar von Kaija Kutter zum Stand der Inklusions-DebatteKinder müssen echte Sachen machen

Das Thema Inklusion hat gerade Konjunktur. Da seufzt eine Lehrerin in der Mopo, dass sie es ohne Rotwein nicht mehr aushält, so anstrengend ist ihre Klasse im Brennpunkt. Zehn von 17 Kindern „verhaltensauffällig“. Und tags drauf schreibt das Hamburger Abendblatt, was zu tun sei, wenn Kinder kippeln und vom Stuhl unter die Tische rutschen. Praktische Sandwesten, am besten in jeder Klasse eine am Kleiderhaken, machen Kinder ruhig.

Diese Westen haben Symbolwert und können erschrecken. So weit sind wir schon, das wir das brauchen. Die Wirkung der Sandtherapie ist nicht erforscht, was vielleicht daran liegt, dass es hier nicht um Medikamente, sondern um alternative Heilmethoden geht. Werden die Westen nun im Alltag eingesetzt, sollte die Schulbehörde sich Gedanken machen, wie sie dies begleitet. Kann schon sein, dass es zu Stigmatisierung im Klassenalltag kommt.

Dass das Thema Inklusion gerade Konjunktur hat, liegt auch daran, dass im Rathaus gerade die Volksinitiative „Gute Inklusion“ mit der Regierung um Millionenbeträge für eine bessere Ausstattung ringt. Wann, wenn nicht jetzt, soll der Unmut raus?

Denn Inklusion wurde 2009 in Hamburg zwar mutig, aber unvorbereitet eingeführt. Die seit über 20 Jahren existierenden Inte­grationsklassen, die gut ausgestattet und mit Doppelbesetzung arbeiteten, wurden nicht in die Fläche überführt. Man dachte, Inklusion gehe zum Nulltarif. Ein politischer Fehler.

So kommt es, dass selbst Grundschulklassen in sozialen Brennpunkten nur sehr wenig Zusatzpersonal für Kinder mit Förderbedarf haben. Wenn eine Lehrerin allein ist, wie sollen dann 17 Kinder die beruhigende Hand auf dem Rücken spüren?

Die Westen sollte man nicht leichtfertig verteufeln. Sie haben als therapeutisches Hilfsmittel offenbar ihren Platz. Aber man kann sie auch nicht als simple Lösung preisen. Weste an und gut. Eine wissenschaftliche Untersuchung der Wirkungsweise wäre ja wohl das Mindeste.

Untersucht werden müsste auch, warum immer mehr Kinder Wahrnehmungsstörungen haben – wenn es denn stimmt. Man braucht nicht viel Fantasie dafür. Die Kindheit ist verhäuslicht, Kinder spielen nicht mehr auf der Straße wie früher. Kinder brauchen aber auch in einer digitalisierten Welt echte Erfahrungen, müssen echte Sachen tun: auf Bäume klettern, zu Fuß zum Laden gehen.

Wir müssen die Stadt so gestalten, dass sie auch für Kinder lebenswert ist. Und, es stimmt, wir müssen die Schule den Kindern anpassen. Damit das gelingt, sind die Forderungen von „Gute Inklusion“ das Minimum.

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