„Mich reizt der eine kurze Moment“

Der Pyrotechniker Felix Münch erzählt, wie wenig Feuerwerkskultur es vergleichsweise in Deutschland gibt, welche Effekte ihm wichtig sind und weshalb in diesen Tagen in Leipzig die heiße Phase beginnt

Leipzig leuchtet vor der Oper: Feuerwerk zur 1.000- Jahr-Feier Foto: Fire and Magic

Interview Denis Gießler

taz: Herr Münch, in zwei Tagen ist Silvester, das Feuerwerksgeschäft läuft langsam an. Stapeln sich bei Ihnen schon die Feuerwerkskörper im Büro?

Felix Münch: Wir sind definitiv in der heißen Phase. Aktuell organisieren wir den alljährlichen Feuerwerksverkauf. Wir kaufen bei verschiedenen Herstellern ein und bieten dann die Feuerwerkskörper an, die uns gefallen. Die Trends variieren jedes Jahr und werden von den Chemikern und Ingenieuren neu gesetzt. Der Verkauf ballt sich an den gesetzlich erlaubten drei Tagen vor Silvester und macht die Hälfte unseres Umsatzes aus. Die andere Hälfte erwirtschaften wir durch professionelle Feuerwerke bei Events.

Dazu gehören neben der 1.000-Jahr-Feier in Leipzig und dem Aufstieg von RB Leipzig in die erste Bundesliga auch das 20. Jubiläum des Fusion-Festivals. Wie kreieren Sie ein Feuerwerk für ein Event?

Das kommt immer auf den Charakter der Veranstaltung an. Konkrete Vorgaben gibt es dabei nur selten. Wir lassen unserer Fantasie freien Lauf und experimentieren viel. Bei der Fusion haben wir überlegt, welche Pyrotechnik zum Festival passen würde. Wir haben dann spezielle Feuerschläuche gebaut, dazu gab es Nebel und Funken. Das war eine Herausforderung, denn zwischen der Pyrotechnik und den Zuschauern gab es keinen Sicherheitsabstand. Bei 1.000 Jahre Leipzig haben wir für den Abschluss mit einem klaren Rot-Silber-Bild gearbeitet. Eine spanische Feuerwerksfirma hat die Effekte für uns produziert.

Welche Stoffe sorgen für die Farben bei einem Feuerwerk?

Verschiedene Metallverbindungen. Rot wird etwa durch ein Strontiumsalz in einer ganz bestimmten Mischung erzeugt. Die genaue Zusammensetzung wird von den Herstellern aber geheim gehalten. Da gibt es eine Farbtabelle von allen Metallsalzen, mit denen man selbst die kleinsten Farbnuancen darstellen kann.

Wie zündet man ein professionelles Feuerwerk?

Das geht ganz klassisch mit Zündlicht und Lunte oder mit einer elektronischen Zündanlage. Auf dem Computer entwickelt man in einem Programm seine eigene Show mit Musik. In speziellen Abschussmörsern liegen dann Kugelbomben, die wir mehrfach verwenden, hinzu kommen selbstgebaute Konstruktionen.

Sie sind in Leipzig zu DDR-Zeiten aufgewachsen. Seit wann interessieren Sie sich für Feuerwerk?

Das begann schon sehr früh. Als Kind las ich ein Buch des Chemikers Justus von Liebig. Der hatte mit Knallquecksilber Knallfrösche hergestellt, das hat mich tief beeindruckt. Auch das alljährliche Leipziger Feuerwerk war etwas ganz Besonderes für mich. Und so begann ich mich für Chemie zu interessieren. Eine Tante von mir war Laborantin, von ihr bekam ich ein paar Chemikalien und richtete dann mein eigenes Labor im Kinderzimmer ein. Da habe ich mir die chemischen Grundlagen beigebracht. In den 90er Jahren habe ich dann nebenberuflich auf Rummelplätzen und Festen kleinere Feuerwerke gezündet und mich dann selbstständig gemacht. Mit Freunden habe ich damals viel improvisiert und ausprobiert. Bis heute ist unser Team eher klein und familiär.

Welche Qualifikationen braucht ein Pyrotechniker?

Foto: privat

Felix Münch

ist in Leipzig geboren und aufgewachsen. Nach seiner Ausbildung an der Dresdener Sprengschule gründete er im Jahr 1998 Fire and Magic.

Für ein professionelles Feuerwerk braucht man die Ausbildung als staatlich geprüfter Pyrotechniker. Ich war an der Sprengschule Dresden, bei der auch Sprengmeister etwa für Gebäude ausgebildet wurden. Es gibt unter Pyrotechnikern drei Ausbildungszweige: für Großfeuerwerker, Bühnenpyrotechniker und Spezialeffekte. Als Pyrotechniker absolvierst du alle drei Zweige und lernst dann bei einem Meister, um Praxiserfahrung zu sammeln. Dazu kommen Lehrgänge, etwa über das Sprengstoffrecht.

Unterscheidet sich der Umgang mit Feuerwerk in Deutschland von dem anderer Länder?

Ja, sehr stark. In Deutschland sind wir relativ frei in unserem Beruf, in England und Australien sind die gesetzlichen Richtlinien viel strenger. Vor Kurzem wurde ich nach Mexiko eingeladen. Dort ist Feuerwerk ganz anders in der Kultur verankert. Wir waren in Tultepec, der „Feuerwerkshauptstadt“. Pyrotechnik ist dort ein Mittel der Ekstase, in jeder kleinen Gasse wird spontan gezündet. In Malta existieren sogar richtige Feuer­werks­clubs. In Deutschland gibt es dagegen keine richtige Feuer­werks­kultur oder Handwerks­tra­dition, Feuerwerk ist hier vor allem Konsum.

Jedes Jahr werden zu Silvester die Feinstaubgrenzwerte durch Pyrotechnik weit überschritten. Das löst Debatten aus. Wie gehen Sie damit um?

Diese Diskussionen beeinflussen mich und mein Team. Auf der einen Seite können uns striktere Vorschriften in unserer künstlerischen Freiheit einschränken. Zum anderen wollen wir natürlich nicht die Umwelt belasten. Wir versuchen, da die Balance zu halten. Bei Events entscheide ich mich immer dafür, lieber einzelne Mittel präzise zu nutzen, als auf Masse zu setzen. Feuerwerk ist für mich eine Philosophie, der bewusste Umgang damit ist mir wichtig. Dieser eine kurze Moment, wenn man staunt und von allem anderen befreit ist, das reizt mich bis heute daran.