: Kieler Kräfteverhältnisse
Handball-Platzhirsch THW Kiel verliert die einsame Spitzenposition, dafür steht der im Juli gegründete Fußballverein SC Weiche Flensburg 08 nun auf Platz 2 der Regionalliga Nord
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Von Christian Görtzen
Man hat es ja an Kiel gesehen, wie schnell etwas ins Rutschen geraten kann. Dort gab es jahrzehntelang eine zementierte Hierarchie: auf Platz eins Handball-Rekordmeister THW Kiel, dann mit Abstand die Fußballer der KSV Holstein, die lange zwischen Dritt- und Viertklassigkeit hin- und herpendelten. Dazu hieß es dann oft, Schleswig-Holstein sei eben ein Handball-Land. Punkt.
In Kiel haben sich im Kalenderjahr 2017 die Kräfteverhältnisse aber ganz erheblich verschoben. Holstein ist nicht nur in die Zweite Liga aufgestiegen, die „Störche“ sind ein 1a-Kandidat für den Sprung in die Bundesliga. Dagegen hinkt der THW seinen eigenen Ansprüchen hinterher: frühes Aus im DHB-Pokal, nur minimale Chancen auf die Meisterschaft, Mittelmaß in der Champions League.
Während in Kiel der langjährige „Platzhirsch“ THW seine thronende Position nicht mehr in Einsamkeit genießen kann, könnte am anderen schleswig-holsteinischen Premium-Standort für Handball, in Flensburg, eine Entwicklung einsetzen, die Parallelen aufweist. Dort ist die SG Flensburg-Handewitt seit Jahren das Maß aller Dinge. Lokale Rivalen aus dem Fußball gab es praktisch nicht. Flensburg 08 und der TSB Flensburg dümpelten vor sich hin, und der Eisenbahner Turn-und Sportverein, kurz ETSV, Weiche kämpfte als Flensburgs Nummer drei um Punkte in der Bezirksoberliga.
Weiche hat es bis in die viertklassige Regionalliga Nord geschafft – und Weiche will weiter nach oben. Dafür wurden Kräfte gebündelt; zum 1. Juli nahm der Verein ETSV Weiche die Mitglieder von Flensburg 08 auf. Der Klub heißt nun SC Weiche Flensburg 08 und belegt Rang zwei hinter dem HSV II. Der Meister nimmt an den Play-off-Spielen teil. „Wir trauen uns den Aufstieg in die Dritte Liga zu“, sagt Harald Uhr. Der Betonsanierer ist wichtigster Geldgeber und Geschäftsführer des Liga-Teams.
Sollte der Aufstieg gelingen, wird auch die SG dies zu spüren bekommen. Sicher, ein Weg wie Holstein Kiel bis an die Spitze der Zweiten Liga ist den Hellblau-Weinroten nicht zuzutrauen. Doch schon ein Dasein in der Dritten Liga könnte der SG vergleichbare Probleme bereiten wie dem THW durch Holstein – nicht zwingend bei den Zuschauern, dafür eher bei den Geldgebern.
Harald Uhr, Geschäftsführer SC Weiche Flensburg 08
Darauf gibt es schon Hinweise. „Wir haben einen sehr hohen Sponsorenzulauf in den vergangenen Monaten erlebt. Es herrscht eine richtige Aufbruchstimmung“, frohlockt Uhr, der auf „mehr als 70 Sponsoren und Förderer“ verweist. Die hinzugekommen „15, 16 Unternehmen“ hätten dem SC eine „niedrige sechsstellige Summe“ beschert. „Das hat sich für uns bemerkbar gemacht.“
Zum Kreis der neuen Sponsoren zählen auch zwei Unternehmen, die sich seit Jahren bei der SG engagieren, einer davon sogar prominent als Trikotsponsor. „Aber die werden deswegen ganz sicher keinen Cent weniger an die SG zahlen“, beschwichtigt Uhr. Andererseits wisse er auch genau, wie es laufe. „Egal, was passiert, Fußball ist eben die Nummer eins“, merkt der Unternehmer an – und geht auf die Entwicklung in der Landeshauptstadt ein. „Ich kenne die Lage beim THW Kiel. Der hat durch Holstein bei den Sponsoren Einbußen von 1,5 Millionen Euro hinnehmen müssen. Mit der SG sehe ich die Konkurrenz nicht, das soll ein ordentliches Nebeneinander geben“, sagt Uhr. Er kenne ja auch SG-Geschäftsführer Dierk Schmäschke seit Jahren. Der verweist darauf, dass die SG „über Jahrzehnte hinweg nachhaltig gearbeitet und einen großen und festen Kreis an Sponsoren hat.“
Beim SC Weiche Flensburg träumt Uhr davon, dass seinem Verein ein Quantensprung gelingt. In der Dritten Liga gibt es 1,3 Millionen Euro an TV-Geld. Dadurch würde der Etat von 750.000 Euro auf 2,2 Millionen Euro steigen. Uhr plant schon. Sollte der Sprung nach oben gelingen, käme es zu Hochsicherheitsspielen – womöglich gegen Hansa Rostock. „Wir würden dann in Kiel spielen. Holstein und Weiche sind sehr eng befreundet“, sagt Uhr: „Natürlich ist Holstein ein Vorbild für uns.“
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