: Allgemeine Verunsicherung
Auf dem Weg zurück an die Weltspitze verunglückt der einstige Vierschanzen-Tourneesieger Thomas Diethart erneut. Zuletzt sprach der 25-jährige Österreicher über mangelndes Selbstbewußtsein
Von Klaus-Eckhard Jost
Auf den ersten Blick wirkt die Nachricht, die der Österreichische Skiverband verschickte, nicht aufsehenerregend: „Schwerer Trainingssturz von Thomas Diethart.“ Diethart ist nicht mehr der Sportler, der täglich in den Schlagzeilen steht. Der Vierschanzentournee-Sieger von 2013/14, der damals als 21-Jähriger überraschend in die Weltspitze sprang, ist bei vielen in Vergessenheit geraten. Der Niederösterreicher verschwand so schnell in der Versenkung wie er aufgetaucht war.
Seither bemüht er sich hartnäckig darum, wieder alte Bestmarken zu erreichen. Ein Kampf mit tragischer Dimension. Zuletzt hörte man von Diethart 2016, als er bei einem zweitklassigen Springen in Brotterode verunglückte. „Ich hatte Prellungen, die Lunge und die Nieren waren gequetscht, die Nase gebrochen und überall Schürfwunden“, berichtete er später.
Ähnlich liest sich das aktuelle ärztliche Bulletin des Schladminger Krankenhauses: Schwere Gehirnerschütterung mit leichter Einblutung ins Gehirn sowie eine Lungenquetschung, starke Abschürfungen und eine Rißquetschwunde im Gesicht. Sein Zustand gilt aber als nicht besorgniserregend“, teilten die Ärzte mit.
Dabei war Thomas Diethart vor der Saison noch zuversichtlich, dass er sich bei den Tourneespringen in Innsbruck und Bischofshofen zumindest für die nationale Gruppe qualifizieren könne, obwohl er seit dem Frühjahr keinem Kader mehr angehört. „Ich darf aber am Stützpunkt in Innsbruck mittrainieren“, sagte er, „insofern bin ich im System noch drin.“ Und auf der kleinen Schanze seien seine Sprünge wieder auf einem ordentlichen Niveau gewesen. „Bei mir geht es hauptsächlich darum, dass ich die Sprünge von der kleinen Schanze auf die große übertragen kann“, sagte er. Dieser Transfer sei hauptsächlich eine Frage des Selbstvertrauens. „Durch den Sturz in Brotterode bin ich immer noch ein wenig verunsichert“, gesteht er, „das nehme ich zwar nicht so richtig wahr, aber im Hinterkopf ist das noch abgespeichert. Das hindert mich.“
Die Physis ist beim Skispringen die eine Sache, genauso wichtig ist aber die Psyche. Mit der richtigen Einstellung hatte Diethart schon nach seinem großen Triumph zu kämpfen. Er wusste nicht, welche Ziele er sich setzen sollte. „Nachdem die Saison sehr, sehr gut war, konnte ich nicht sagen, dass ich wieder Tourneesieger oder Weltcupsieger werden will“, erzählte er, „ich hatte fast ein wenig Angst, dass es schwierig wird.“ Was es dann auch wurde. Den Weltcup beendete er auch Platz 43 mit 99 Punkten, nach Platz acht und 666 Zählern. Bei der Tournee belegte er am Ende Platz 16.
Im Jahr nach Diethart gewann Stefan Kraft die Vierschanzentournee. Und ist seitdem nicht nur der Vorspringer im österreichischen Team, sondern im Weltcup. Zweifacher Weltmeister ist er im vergangenen Winter geworden. In Vikersund war er mit 253,5 Metern Weltrekord gesprungen. Und am Ende durfte er die Große Kristallkugel in Empfang nehmen. „Der Krafti ist eine Person, die ganz genau weiß, er zieht sein Ding durch, lässt sich durch nichts beirren“, charakterisiert er seinen Teamkollegen. Und über sich sagt er: „Ich bin eher zurückhaltend.“ Anders ausgedrückt: Stefan Kraft ist psychisch stabiler. Nach dem erneuten Sturz wird für Thomas Diethart der Weg zurück auf die Schanze noch beschwerlicher werden.
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