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Siemens kündigt jetzt mit Charme

„Wut auf Siemens“, „Bei Siemens hat Janina Kugel nicht den Job, um bei allen beliebt zu sein“,

taz vom 23. 11. 17

Als äußerst informativ empfand ich euren Artikel über die Streichung von Stellen bei Siemens. Dort wurde insbesondere aufgezeigt, dass die Schließung von Werken in Görlitz und in Leipzig keinesfalls so „alternativlos“ ist, wie es vom Siemens-Konzern dargestellt wird. Zumal es gerade im strukturschwachen Görlitzer Bereich für die „Siemensianer“ schwer sein dürfte, eine neue adäquate Stelle zu finden.

Umso mehr hat es mich befremdet, dass ihr in derselben taz beim „portrait“ gleich auf Seite 2 über Frau Kugel berichtet, die als Personalchefin von Siemens angeblich nicht „den Job hat, um bei allen beliebt zu sein“.

Das dürfte doch wohl für eine Personalchefin und die Umsetzung von „unternehmerischen Entscheidungen“ selbstverständlich sein. Sie spricht nach den knallharten Vorgaben von Siemens Kündigungen aus. Und will über einen Interessenausgleich/Sozialplan verhandeln, wobei der „böse“ Betriebsrat angeblich nicht verhandlungsbereit ist. Über das „Ob“ der Schließungen wird Siemens nicht verhandeln.

Aufgrund meiner mehr als 25-jährigen Tätigkeit als Rechtssekretär beim DGB-Rechtsschutz habe ich es oft genug erlebt, dass Arbeitgeber kein Jota von einer grundsätzlichen Entscheidung über Standorte abgehen. Was soll euer Hinweis, dass das Handelsblatt Frau Kugel zum „Siemens-Popstar“ ernannt hat? Interessiert es irgendeine der betroffenen Familien, ob sich Frau Kugel „nicht den passenden Job ausgesucht hat, um überall beliebt zu sein“? Und ob sie irgendeinem „Klischee des Topmanagers“ entspricht?

Sie geht also „um 18 Uhr nach Hause [...], um die Zeit mit ihren Zwillingen zu verbringen“? Und setzt sich „trotzdem“ noch später zum Abend „an den Rechner“, etwa, um weitere fiese Personalmaßnahmen zu ersinnen?

Ist es ein „Trost“ für die betroffenen Familien, dass das „Anderssein“ von Frau Kugel sie auch „stark machen kann“? Erzeugt es gar „Verständnis“ für die vielen Kündigungen, dass Frau Kugel früher wegen ihrer Hautfarbe von anderen Kindern gehänselt wurde und nicht beim Fußball mitspielen durfte? Für die betroffenen Siemensianer ist ihre eigene persönliche Lage dazu viel zu ernst. Niemand wird dem etwas abgewinnen können, dass seine Kündigung von einer solch versierten und „taffen“ Personalchefin ausgesprochen wurde, die ihr arbeitsrechtliches Handwerk anscheinend bestens versteht. Kai Gudel, Dresden