piwik no script img

„Sojakäse“ selbst herstellenTofu mag keinen Stress

Er gilt als Moralistenmahlzeit, als fader Fleischersatz. Das ist Quatsch, wissen die Berliner „TofuTussis“ – und zeigen in Workshops, wie man Tofu selbst macht.

Im Topf geht es los: Franziska Schauren (2. von links) von den TofuTussis beim Workshop Foto: Dagmar Morath

„Tofu hat allgemein keinen guten Ruf“, sagt Franziska Schauren. Um sie herum gruppieren sich zehn Menschen aller Altersstufen, die vor vier großen Töpfen stehen. Alle hier eint die große Leidenschaft fürs Essen; egal, ob Fleisch, Gemüse oder Gewürze.

Franziska Schauren ist Mitinhaberin einer eigenen Tofurei, dem Soja-Pendant zur Fleischerei. Gemeinsam mit Elena Grimm hat sie 2015 die „TofuTussis“ ins Leben gerufen. Die beiden Berlinerinnen stellen Tofu zum Verkauf her. Und sie geben, wie an diesem Tag, ihr Wissen in Workshops weiter. Der Kurs findet in der Markthalle Neun in Kreuzberg statt, einem der wichtigsten Orte der Berliner Foodszene.

Erst mal geht es dabei um Grundlegendes: „Wir leisten hier eine gewisse Aufklärungsarbeit“, sagt Schauren. Tofu werde oft missverstanden, man verbinde ausschließlich Pflanzenfresser, Gutmenschen und Moralisten damit. Hinzu komme, dass man Tofu in vielen deutschen Supermärkten vor allem in Form von „Chicken“-Nuggets, Veggie-Steak oder Ähnlichem findet, also als „Fleischersatzprodukt“. Das werde dem Sojaprodukt aber nicht gerecht.

Schauren erklärt auch, warum: Im ostasiatischen Raum, wo Tofu seit Jahrtausenden fester Bestandteil der Speisekarte ist, werde das eiweißreiche Sojaerzeugnis nie nur als Ersatzprodukt serviert, sondern beispielsweise auf Bauchspeck gespickt, in der Ramen-Suppe mit Ei und Rindfleisch würzig verkocht oder als Dessert mit Sirup serviert: Tofu als Delikatesse.

Als solche will man sie auch in der Markthalle Neun entdecken oder neu entdecken. Die vier großen Töpfe sind gefüllt mit einem Püree aus eingeweichten und gekochten Sojabohnen, das wie ungesüßte Sojamilch schmeckt. „Die Bohnen beziehen wir nicht von den Feldern abgeholzter Regenwäldern in Südamerika, sondern aus Bockshorn bei München“, sagt Schauren, um gar nicht erst falsche Vermutungen aufkommen zu lassen. Immer öfter werden Sojabohnen auch im europäischen Raum angebaut.

Wie beim Käsemachen

Nun heißt es, sich zu konzentrieren, denn es folgt der kleinteiligste und wichtigste Part der Tofu­herstellung: Ähnlich wie beim Käse müssen die Eiweißanteile der (Soja-)Milch geronnen werden, damit die Masse eine festere Konsistenz annimmt. Dieser Prozess bestimmt über Feinheit und Konsistenz des Tofus und er gibt ihm auch seinen Namen: „To“ (豆) steht im Chinesischen für Bohne und „fu“ (腐) für Gerinnung.

Beim Workshop wird dazu das traditionelle japanische Bittersalz „Nigari“ – Magnesiumchlorid, das aus Meersalz gewonnen wird – in Wasser zur Gerinnungsflüssigkeit gelöst. Andere Rezepte empfehlen auch Essig oder Zitronensäure, aber das, so Schauren, sei vor allem für Anfänger weniger zu empfehlen, weil viel schiefgehen kann. Mit Ni­gari geht man auf Nummer sicher.

taz am wochenende

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und rund um die Uhr bei Facebook und Twitter.

Egal, für welches Gerinnungsmittel man sich entscheidet: Die Flüssigkeit muss in drei Phasen in die dicke Sojamilch eingearbeitet werden. Das erste Drittel soll eingerührt, das zweite auf die Oberfläche gegossen und das letzte Drittel wieder langsam eingerührt werden, damit sich die Flüssigkeit bestmöglich verteilt.

Bloß nicht hektisch werden

Vorsichtig bewegt Stefan, ein Teilnehmer, seinen großen Holzlöffel durch die dickflüssige Sojamilch, die durch den Einguss des Gerinnungsmittels langsam ausflockt. Rührt man zu schnell und heftig, zerpflückt man die dicken Soja­wolken, die nun in der Flüssigkeit schwimmen. Denn Tofu mag keinen Stress. Die Gefahr wächst, dass er später auseinanderfällt.

Anschließend kann der sogenannte Sojabruch aus den Töpfen gehoben und in Schüsseln gegeben werden, er hat eine puddinghafte Konsistenz. Um dem Tofu nun Geschmack zu verleihen, dürfen sich die Teilnehmer aus einem Büfett von Kräutern, Gewürzen, Nüssen und Algen ihre individuelle Geschmacksvariation aussuchen. Nur darf man nicht zu viel des Guten in den Sojabruch rühren, denn sonst leidet die Konsistenz des Tofus. Teilnehmerin Aline probiert eine süße Version mit Zucker und Sesam aus. Dagmar entscheidet sich dagegen für einen Koriander-Erdnuss-Mischung und fügt noch etwas Sojasoße hinzu.

Tofu und Verbündete

Seidentofu Die feuchtigkeitsreichste Tofuvariante. Er wird nicht ausgepresst, sondern gerinnt direkt in der Verpackung. Seine Konsistenz ist geleeartig, die Oberfläche glatt, er eignet sich gut für Nachtische oder als Suppeneinlage.

Geräucherter Tofu Durch anschließendes Räuchern wird Tofu noch würziger. Er eignet sich so besonders gut als Fleischersatz.

Gefrorener Tofu „Sojakäse“ wird Tofu auch genannt und wenn man ihn gefriert, bekommt er sogar Löcher – durch die Eiskristalle, die sich in seinem Innern bilden. So kann er noch besser Marinaden aufsaugen. Entdeckt wurde die Variante im nordchinesischen Winter, versehentlich.

Seitan Die direkte Konkurrenz aus dem Segment „eiweißreiche asiatische Fleisch­ersatzprodukte“. Hat sonst aber wenig mit Tofu zu tun: seine Grundlage ist Weizenmehl und Wasser.

Tempeh Und noch ein asiatischer Fleischersatz. Tempeh kommt aus Indonesien und basiert auf Sojabohnen, die verkocht und mit einem Schimmelpilz fermentiert werden.

„Viele kritisieren die Geschmacksneutralität des Tofus“, sagt Schauren. Genau die sei aber der Vorteil. Man könne ihn scharf in der Suppe, angebraten zu Gemüse oder auch süß zum Frühstück essen. Und überhaupt, fügt sie hinzu: „Das Stück Fleisch isst man ja auch nicht ohne alles.“

Und am Ende: Pressen

Anschließend wird die Sojabruch-Kräuter-Mischung in eine Form mit Löchern gegeben. Darin muss die Tofumasse ausgepresst werden, damit die Konsistenz fester wird. Das kann in einem Tofu-Press-Set (ab 20 Euro erhältlich) oder auch in einem Leinentuch und einem ausgewaschenen Joghurtbehälter mit Löchern passieren. Nach einigen Minuten, je nach Wunsch der Konsistenz, wird der Tofu befreit.

Vergnügt sitzen alle vor ihren individuellen weißen Tofuhäufchen – die einen bröckelig, die anderen fester. Dagmar hat ihrer Tofumischung leider etwas zu viel Koriander beigemischt. Ihr Häufchen erinnert eher an einen Maulwurfshügel als an einen kompakten Tofublock. „Schmeckt trotzdem“, sagt sie und isst weiter.

Lohnt sich der Aufwand überhaupt? Für manche mag der Erdnusstofu von der Frischetheke völlig ausreichend sein und alle Sinne befriedigen. Doch allein der Akt der Herstellung kann beruhigend auf das Gemüt wirken, meint Schauren: „Die Tofuherstellung, insbesondere die Gerinnung, ist eine meditative Arbeit.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Und für die in diesem Artikel unterrepräsentierten Nichtvegetarier jetzt bitte noch einen Artikel über die meditative Wirkung des Schlachtens und Körper-Zerteilens.

    • 8G
      81331 (Profil gelöscht)
      @Christian Clauser:

      ...darüber reden doch nicht einmal die Grünen, mit ihrer Bio-Tierhaltung.

      Und, Tofu auf Bauchspeck, oder Ramen, also Tofu mit Rindfleisch, klingt für mich nicht sonderlich vegetarisch.