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heute in hamburg„Die Polizei konnte tun, was sie wollte“

Foto: privat

Moritz Assall, 35, ist Jurist und Kriminalsoziologe. Bei Demonstrationen ist er oft Teil des Legal-Teams.

taz: Herr Assall, ist Polizeigewalt die Ausnahme der Regel oder die Regel?

Moritz Assall: Zumindest ist eine gewisse Verselbstständigung der Polizei regelmäßig zu beobachten, die in Schikanen, Verstößen und auch rechtswidriger Gewalt der Polizei mündet. Und ich würde sagen, dass die Verselbstständigung der Polizei per se strukturell angelegt ist und insofern nicht als die Ausnahme der Regel begriffen werden kann.

Woran liegt diese Verselbstständigung?

Wie die Polizei handelt, ist nicht stark genug ans Recht gebunden. Grund dafür sind unklare Tatbestandsmerkmale. Außerdem soll die Polizei die Zwecke des Rechts verteidigen, das ist aber nicht immer in ihrem Interesse. Ein Kontrolldefizit tut sein Übriges. Demonstranten oder Fußballfans kennen das Gefühl, dass Polizeibeamte machen, was sie wollen.

Wie ist die Polizeigewalt mit dem Rechtsstaat zu vereinbaren?

Gar nicht. In einem funktionierenden Rechtsstaat ist die Polizei theoretisch dazu da, die Sicherheit der Menschen aufrechtzuerhalten. Dieser rechtsstaatlichen Theorie nach soll es das nicht geben, dass die Polizei sich verselbstständigt und als eine Art „Souverän der Straße“ agiert.

Und in der Praxis?

Gibt es faktisch zu wenig rechtliche Bindungen. Die Entscheidungen der Gerichte sind in der Praxis nicht bindend. Ein gutes Beispiel ist das Camp bei Entenwerder beim G20-Gipfel. Da gab es eine gerichtliche Entscheidungslage, nämlich dass die Leute ihre Zelte aufstellen dürfen. Die Polizei ist trotzdem da rein mit Pfefferspray und Anwendung von Gewalt. Die Aufgabe des Hamburger Senats wäre gewesen, politische Konsequenzen daraus zu ziehen, aber wenn das nicht stattfindet, ist der Rechtsstaat und seine Checks and Balances erstaunlich labil und schwach.

Ist das ein neues Phänomen?

Nein, auf keinen Fall. Neu ist aber, dass immer mehr polizeiliche Handlungen ihren Fokus auf Prävention legen. Polizeiliche Maßnahmen setzen weit vor tatsächlichen Rechtsbrüchen an, was die rechtlichen Grundlagen unbestimmter macht. Ein schönes Beispiel dafür waren die Gefahrengebiete, wie sie ursprünglich in Hamburg konzipiert waren. Die Tatbestandsvoraussetzungen waren so unklar, dass die Polizei in mancherlei Hinsicht tun konnte, was sie wollte. Bei den Gerichten wurde die Problematik erkannt und die Rechtslage verändert, aber ob diese Änderungen einen Unterschied in der Praxis machen, ist zu bezweifeln.

Vortrag und Diskussion über Polizeigewalt mit Moritz Assall, 18.30 Uhr, T-Stube, Allendeplatz 1

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