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Kolumne BehelfsetikettDer Park als Teil schwuler Infrastruktur

Cruisen im Park ist für viele schwule Männer die normalste Sache der Welt – auch wenn es immer wieder Versuche gibt, das einzuschränken.

Der Park als Möglichkeit der sexuellen Freiheit. Foto: dpa

Die im Tiergarten kampierenden Obdachlosen sind seit Wochen Stadtgespräch. Auch bei uns in der Redaktion. In der nächsten Wochenendausgabe werden wir uns dieses Phänomens erneut annehmen und unter anderem fragen, wie man in anderen Großstädten der Welt mit dieser Problematik umgeht.

Die Obdachlosen sind dabei nur das eine Problem. Die Prostitution im Park soll zugenommen haben. Es geht dabei um männliche Prostitution. Junge Männer – darunter sollen viele Flüchtlinge sein – verkaufen im Tiergarten ihre Körper an schwule Männer. In den Gebüschen des weitläufigen Parks ist eine schnelle Nummer wohl für relativ wenig Geld zu haben. Das ist eine Geschäftsbeziehung, die so alt ist wie die Menschheit selbst. Keine neue Erscheinung also. Gerade in Berlin, wo es an männlichen Prostituierten nie mangelte. Man muss das alles nicht gutheißen, aber tolerieren.

Eine Art Notbehelf

Für schwule Männer war der Park schon immer ein Ort für schnellen, anonymen, einvernehmlichen Sex. Die öffentliche Toilette ist ein anderer Treffpunkt dafür, auch „Klappe“ genannt – im Schwulen Museum* läuft seit Freitag mit „Fenster zum Klo. Public Toilets, Private Affairs“ eine Ausstellung zu diesem Thema.

Entstanden als eine Art Notbehelf: Wo sonst als an anonymen, geheimen ebenso wie geheimnisvollen und abgeschirmten Orten hätten sich denn, sagen wir um 1900 oder 1950, schwule Männer treffen können?

In Berlin gibt es etliche Parks, auch kleine, wo Männer mit Männern Sex haben. Am helllichten Tag, noch mehr aber im Schutz der Dunkelheit. In den Park gehen ist für viele (nicht alle) schwule Männer die normalste Sache der Welt. Am meisten los ist natürlich in den lauen Sommernächten, wenn alles wie verzaubert wirkt. Aber auch bei Minusgraden ist Cruising möglich.

Verhaltensregeln

Es geht entlang von Trampelpfaden durch die Sträucher und Bäume. Die Sache will gelernt sein, es gilt Verhaltensregeln und Codes zu beachten: Das coole Herumstehen, das Posen, wie man sich zu bewegen und zu gucken hat – und wie nicht; was man zu tun und was man zu unterlassen hat. Vor allem: nicht reden. Denn Cruisen im Park ist eine fast lautlose Angelegenheit. Nonverbale Kommunikation auf höchstem Niveau.

Na ja, manchmal wird doch gesprochen. Dann erfährt man Banales, mitunter Neues, manchmal auch Schreckliches: Ich hörte zum Beispiel von einem türkischstämmigen jungen Mann, wie es für ihn ist, seine Sexualität nur versteckt – eben in Parks oder Darkrooms – ausleben zu können. Und lernte einen bosnischen Kriegsflüchtling kennen, der erzählte, wie er vor seinen Familienmitgliedern immer auf „hetero“ machen müsse, damit keiner auf die Idee käme, er wäre schwul. Nach dem Sex hatte er mich gefragt, ob ich einen Freund hätte …

Und man trifft natürlich auf junge Männer, die im blickdichten Gebüsch ihre Dienste anbieten. Warum, lässt sich nur mutmaßen, aber es wird in der Regel aus der Not heraus sein.

Der Park war – und ist – also eine Möglichkeit der sexuellen Freiheiten. Was ich sagen will: Er gehört zur schwulen Infrastruktur. Auch in Zeiten von digitalen Datingportalen und Kneipen und Bars, die in den hinteren Räumen mit einem Darkroom zu einer schnellen Nummer einladen.

Aber der Park als Cruisingzone ist in Gefahr. „Wir können das nicht mehr hinnehmen“, ließ Stephan von Dassel, grüner Bezirksbürgermeister von Mitte, im Zuge der Diskussionen um das Geschehen im Tiergarten verlauten. Er meinte damit die Obdachlosigkeit, die Drogensucht und ebenso die männliche Prostitution – und damit eben indirekt auch das Sexualverhalten von schwulen Männern (weil: wo keine Nachfrage, da kein Markt).

Büsche kürzen

Das ist beileibe keine neue Diskussion. Das Thema kommt alle paar Jahre neu auf. Treiben es die Schwulen zu wild, wird meist damit reagiert, dass das zuständige Grünflächenamt die Büsche im betreffenden Cruisingareal radikal einkürzt. Nützt aber nichts. Das schwule Jagdgebiet wird dann einfach verlagert.

Beim Schreiben der Kolumne hab ich die ganze Zeit vor mich her gesummt. Ich musste automatisch an einen alten Song denken, eine der schwulen Hymnen, nach der damals alle in der Disko tanzten. Natürlich auch die Heteros. Die hatten keine Ahnung, wovon Nick Straker 1979 da sang: „A Walk in the Park“ beschreibt nichts anderes als das schnelle anonyme Vergnügen schwuler Männer in den dunklen Ecken eines Parks.

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5 Kommentare

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  • "Wo keine Nachfrage, da kein Markt"

     

    Das ist so falsch.

    Und das in der taz...

  • Lobbyismus pur!

  • Cruisen in Parks etc. ist Homosexualität zum Abgewöhnen! Lautlos, im Dunkeln, anonym - wie kaputt ist das denn? Noch eine Nummer trostloser als der Betrieb in den schwulen Szenekneipen, da sieht man einander wenigstens und kann (wenn auch gegen das ständige Technogewummer anschreiend) ansatzweise miteinander reden. In den Cruising Areas ist nach meiner Erfahrung wirklich nur die dritte Garnitur unterwegs, nicht tageslichttaugliche Geisterbahnkandidaten, die selbst im Kölner Ledersumpf allein bleiben würden. Und wieder bewahrheitet sich die ironische Umkehrung des bekannten Zitats von Rosa von Praunheim: "Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Subkultur, die er sich schafft!"

    • @Yadgar:

      Was Sie als "dritte Garnitur" bezeichnet, sind Menschen, die auch Sex haben wollen und dürfen. Oder, mit Ihren Worten: Wie kaputt ist das denn, Menschen so einzuteilen und so herabzuwürdigen?

      Sie gehen davon aus, dass diese Männer sonst keine Chance auf Sex haben. Das ist Ihre eigene Lesart - ein Vorurteil. Es gibt durchaus auch Menschen, die genau diese Umgebung und diese Art von Sex gut finden. Und selbst wenn Ihre Interpretation zutreffend wäre - wo ist das Problem? Wenn niemand zu Schaden kommt und Menschen ein Stück Sexualität ausleben können, ist doch alles in bester Ordnung.

      Mein Geschmack ist es auch nicht - aber das ist kein Grund, diese Art von Sex oder die Menschen, die ihn so haben (wollen), herabzuwürdigen.

      Nicht alles, was man sich selbst nicht vorstellen kann oder mag, ist automatisch pervers.

  • Der Artikel hat einen seltsamen Beigeschmack. Hier wird unsystematisch Cruising und Prostitution miteinander vermischt. Wahrscheinlich unabsichtlich - der Autor scheint sich ja auszukennen.

    Cruising als solches ist unproblematisch und sollte den Staat schlichtweg nicht interessieren, jedenfalls solange damit keine Unbeteiligten gefährdet werden. Solche Freiräume muss es geben, solange sichergestellt ist, dass hier nur Volljährige im gegenseitigen Einvernehmen miteinander Sex haben. Aber Cruising aus sexueller Vorliebe heraus ist etwas anderes als Prostitution.

    Prostitution ist völlig okay, wenn sie in regulierten Bahnen verläuft, mit denen insbesondere die Prostituierten (egal welchen Geschlechts) geschützt werden. Genau das ist aber bei der Art von Prostitution im Tiergarten nicht der Fall. Hier geht es um Prostitution aus Not, und zwar durch Menschen mit eigentlich besonders hohem Schutzbedarf.

    Dagegen sollte man tatsächlich etwas unternehmen. Nicht indem man die jungen Männer bestraft oder zu verscheucht, sondern indem man ihnen bessere Perspektiven bietet.

    Ich würde hier dem Bezirksbürgermeister mal den benefit of the doubt gönnen, dass eigentlich das sein Ziel war, das er mit seiner Aussage meinte.