taz🐾thema
: nachhaltigkeit

die verlagsseiten der taz

Auf leisen Sohlen

Mit Apfel-Leder und Orangenfasern: Das Angebot fair produzierter und ökologischer Mode ist umfangreich und bezahlbar

Man sieht nicht immer auf den ersten Blick, was bio und fair produziert worden ist Foto: Karsten Thielker

Von Julia Johannsen

Endlich kommen die Jungen. Sie sind kaum älter als 30, lieben Mode und noch viel mehr die faire Mode. Sie sind um die Welt gereist, haben indische Familien zu Produzenten gemacht und klein, aber mit einer großen Vision begonnen. Innerhalb von wenigen Jahren wurden sie zu erfolgreichen Unternehmerinnen grüner Modelabels und befreiten die Ökomode nachhaltig von ihrem Kartoffelsack-Image. „Ökomode hat längst die Laufstege erobert“, sagt Kirsten Brodde von Greenpeace. „Fummel aus Apfel-Leder oder Orangenfasern reißen international das Publikum mit.“

Die grünen Marktsegmente sind klein gestartet und noch im Wachstum, sie liegen immer noch im einstelligen Bereich, doch es tut sich was. Jedes Kleidungsstück ist längst auch in der ökologischen und fair produzierten Variante zu bekommen, von der Daunenjacke bis zur sexy Unterwäsche, vom Chelsea Boot bis zum schicken Sneaker. Im Moment werden viele neue Materialien wie Lyocell, Apfel- oder Orangenfasern, Pflanzendaunen und recycelbare Stoffe aus der Natur eingesetzt. Das Modelabel Lanius verwendet für seine aktuelle Lederkollektion vegetabil gegerbtes Rhabarberleder, und MUD Jeans macht aus alten Jeans neue Jeans, die nicht nur gut aussehen, sondern auch lange halten. Große Marken wie Kunert oder Eterna fließen mit dem Trend und setzen neue Akzente – mit Strumpfhosen aus recycelten Fischernetzen und dem nachhaltigen „Good Shirt“, bei dem die Wertschöpfungskette von A bis Z transparent ist. „Man könnte ein Öko-Kaufhaus locker füllen“, sagt Kirsten Brodde. „Die Zeit ist reif für ein grünes H&M.“

Dass der Großteil der Bevölkerung noch keine Ökomode kauft, liegt weder an der mangelnden Auswahl noch an den Preisen, denn eine gut gemachte Öko-Jeans kostet nicht mehr als eine Markenjeans. Es liegt eher daran, dass es viel Halb-Öko und Viertel-Öko gibt und die gesamte Wertschöpfungskette für den Käufer ziemlich undurchschaubar ist. „Die Frage ist, wie sichergestellt werden kann, dass nachhaltige Produkte auch tatsächlich fair sind“, sagt Manuel Blendin vom Forum Fairer Handel. „Die Bedingungen für die Produzenten müssen verbessert und grundlegende Arbeitsrechte erfüllt werden. Dafür braucht es auch politische Rahmenbedingungen.“ Öko-Faire-Mode bedeutet Öko und Fairness vom Acker bis zum letzten Knopf. Eine transparente Wertschöpfungskette impliziert eine nachhaltige Wertschätzungskette in Bezug auf die Ressourcen der Natur, die Arbeitsbedingungen und Menschenrechte.

Der kürzeste Weg dorthin ist eine enge Zusammenarbeit mit Familienbetrieben. Das Unternehmen „Philippe & Patrice“ etwa arbeitet mit einer kleinen Manufaktur in Italien zusammen, in der es edle Männerschuhe aus Bioleder fertigen lässt. „Wir tragen selber gerne Lederschuhe und schätzen gute Qualität“, sagt Patrick Jarnoth, der 2016 gemeinsam mit seinem Bruder das Unternehmen gegründet hat. Das pflanzlich gegerbte und gefärbte Bioleder kommt von einem deutschen Biobauernhof.

Siegel wie GOTS, Fair Trade, Fairwear Fundation und Naturtextil IVN zertifiziert BEST garantieren den Handel mit fairen Preisen, menschenwürdige Arbeits- und Lebensbedingungen oder Biofasern. Die Zertifizierung ist jedoch teuer, und viele kleine Betriebe, die fair und ökologisch produzieren, können sie sich nicht leisten.

Auf einer Indien-Reise begegnete die Juristin Nathalie Schaller Frauen, die von Zwangsprostitution betroffen sind. „Wir wollen durch unsere Mode den Frauen helfen“, sagt die Gründerin des Modelabels eyd, das mit der Chaiim Foundation in Indien zusammenarbeitet. „Je mehr wir verkaufen, umso mehr Frauen können wir in unserer Partnerwerkstatt einstellen.“

Auch Jeanine Glöyer entwickelte während ihrer Arbeit bei einer NGO in Indien die Idee, Frauen durch das Nähen eine Arbeit zu geben. 2014 gründete sie das Label Jyoti, in dem sie heute insgesamt 17 Frauen beschäftigt und im Sinne der Slow Fashion produziert. „Das Wort Kollektion suggeriert, dass man in jeder Saison etwas Neues braucht“, unterstreicht Jeanine Glöyer. Deswegen bleiben die Jyoti-Stücke, die gut laufen, so lange im Sortiment, wie sie nachgefragt werden. Hinzu kommen zweimal im Jahr ein paar neue Teile.

Slow Fashion, die Gegenbewegung zu Fast Fashion, will das Kauf- und Wegwerfkarussell zum Stehen bringen. Nachhaltiger Konsum beginnt mit der Frage, ob man das neue Teil wirklich braucht. Oder es auch secondhand kaufen, leihen, tauschen, selber machen, upcyceln oder reparieren kann. „Der Kauf von Ökomode wird das Problem nicht lösen“, sagt Kirsten Brodde. „Es ist viel wichtiger, dass wir lernen, die Dinge mit Respekt zu behandeln.“

Make SMTHNG: GreenpeaceFestival des Selbermachens, 8. -10. Dez. in Berlin (kostenlos), https://blog.greenpeace.de/artikel/buy-nothing-make-something