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Archiv-Artikel

Sturm der Liebe

Keine senderfremden Zuschüsse mehr für den Sport und erst mal keine Verfassungsklage: Die ARD-Intendanten einigen sich zähneknirschend

AUS STUTTGART MAX HÄGLER

Auch und besonders in harten Zeiten muss man sich die Journaille gewogen halten, das wissen die ARD-Intendanten als gestandene Journalisten natürlich besonders gut. Und so gab es zur gemeinsamen Pressekonferenz gestern in Stuttgart – den blauen ARD-Fußball.

Der sei „aber praktisch nicht geldwert“, wie der Hausherr und SWR-Chef Peter Voß versicherte. „Ist ja nur Luft drin.“ Die Gesprächsergebnisse der ARD-Manager zum Schleichwerbungsskandal waren aber beileibe mehr als Luft. Über 54 Fälle haben Voß, sein Kollege Thomas Gruber vom BR sowie der ARD-Programmdirektor Günter Struve mittlerweile zusammengetragen, bei denen für Schleichwerbung und Product-Placement gezahlt wurde – in der Liste tauchen Auftraggeber auf wie SAP, German Parcel, Red Bull, Lycos, der Deutsche Apothekerverband sowie unbekannte Pharmafirmen (abrufbar unter www.intern.ard.de). Vier Leute seien deshalb mittlerweile fristlos entlassen, acht abgemahnt. „Und das ist nicht die letzte Etappe dieses Aufklärungsprozesses“, so der ARD-Vorsitzende Thomas Gruber. Im Juni hatte der Fachdienst epd medien aufgedeckt, dass für Produkt- und Unternehmensnennungen in mehreren ARD-Produktionen wie „Marienhof“ und dem „Tatort“ insgesamt 4,6 Millionen Euro gezahlt wurden. Wert legten die Herren jedoch darauf, dass es keine Eigenproduktionen waren, sondern Sendungen produziert von Tochterfirmen wie der Bavaria, an der vier ARD-Anstalten aber als Gesellschafter beteiligt sind.

Jetzt sollen’s neue Produktionsverträge richten, die ein Schleichwerbeverbot enthalten. Sowie eine eigene Programmbeobachtung, bei der der WDR künftig einen kritischen Blick auf alle ARD-Sendungen wirft. Voß: „Wir sind gegen Product-Placement, egal wo es geschieht. Das ist Betrug am Zuschauer!“ Bei einem Punkt in der neuen ARD-Gesetzgebung allerdings hakte die Einigkeit zwischen Länderanstalten und Programmchef. Die ARD-Anstalten verzichten künftig auch komplett auf Produktionskostenunterstützung durch Sportvereine, obwohl das rechtlich wohl ein gangbarer Weg zur Sendungsfinanzierung ist. Für Struve durchaus ein Beschluss mit Folgen fürs Programm: „Das kann im Einzelfall heißen, das über einzelne Sportarten weniger berichtet wird“. – Dem ARD-Vorsitzenden Gruber stieg derweil beinahe die Zornesröte ins Gesicht: „Journalistische Kriterien sind wichtig und nicht ökonomische!“, jedenfalls in seinem Haus. Genau da, beim BR in München, hat allerdings auch Programmdirektor Struve seinen Sitz. Und der war vom mittlerweile geschassten Bavaria-Geschäftsführer Thilo Kleine am Wochenende der Mitwisserschaft bei der Schleichwerbung beschuldigt worden. „Der Doktor will für Degeto-Movies Zusatzfinanzierung durch Product-Placement haben“, hatte Kleine in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung angebliche Struve-Forderungen zitiert. Für Struve war das gestern „völlig absurd“. Und im Übrigen werde er „Direktor“ genannt.

Des Weiteren beschlossen die Intendanten auch noch, die Entscheidung über ihre angekündigte Verfassungsbeschwerde gegen das jüngste Verfahren zur Festsetzung der Rundfunkgebühren auf Ende Oktober nach den Neuwahlen zu verschieben. „Wir sehen ein, dass die politisch Verantwortlichen wegen der Bundestagswahl im Moment keine Zeit haben, sich detailliert mit dieser Frage zu befassen“, sagte Gruber sehr rücksichtsvoll.