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Heimat, ein mystischer Begriff

Was die Doku über Pegida beim Leipziger Dokfilmfestival zeigt – und was nicht

Von Detlef Kuhlbrodt

Vorher schien die Aufregung groß: Im Rahmen des 60. Leipziger Dokfilmfestivals sollte Sabine Michels Dokumentarfilm „Montags in Dresden“ in der Osthalle des Leipziger Hauptbahnhofs gezeigt werden. In ihrem Film porträtiert die geborene Dresdnerin drei Protagonisten der Pegida-Bewegung, unter anderem deren Mitbegründer René Jahn. Anstoß genommen wurde daran, dass der vom MDR produzierte Film für den Dokfilmpreis des Goethe-Instituts und den Publikumspreis der Stiftung Friedliche Revolution nominiert worden war. René Jahn hatte Pegida-Anhänger gebeten, zur Aufführung zu kommen. Die befürchteten Auseinandersetzungen blieben aber aus. Die Osthalle war proppenvoll.

„Wer geht aus welchen Gründen auf die Straße? Und um was geht es ihnen wirklich?“, fragte die Regisseurin und unterstellte den Pegidisten so, es gehe ihnen um etwas anderes, als sie sagten.

Man lernt also die alleinerziehende Mutter Sabine Ban kennen, die in ihrem Keller Konserven, Klopapier, Instantkaffee hortet und mit ihrem autistischen Jungen die Demos besucht. Der schlanke 51-jährige René Jahn sieht aus wie ein Sportlehrer. Dass er gerne bei der Armee war, nimmt man ihm sofort ab. Er erinnert daran, dass die meisten Führungspositionen in der DDR später an Westler gingen. Dass er mit Geld und Reinigungsspray nicht so gut umgehen kann und Hausmeister werden will, ist fast sympathisch.

Der Unternehmer Daniel Hermann möchte „konservative und christliche Werte in den öffentlichen Raum tragen“, sieht sich als „guten Kapitalisten“ und geht, wie Götz Kubitschek, gern mit seinen Hunden in der Natur spazieren. Er behauptet, „wir“ hätten „denen“ nichts entgegenzusetzen, weil „die“ ihren Gott auf der Schulter tragen, während „wir“ gottlos seien. Heimat ist ihm ein „mystischer Begriff“.

Dazwischen gibt’s in Schwarz-Weiß Ausschnitte von Pegida-Demos, die das Skandalöse aussparen. Nazis sieht man nicht. Die porträtierten Biedermänner und -frauen wirken eher seltsam, so wie einem als Westler DDR-Bürger nach 1989 seltsam erschienen. Die Entwicklung der Pegida-Bewegung wird nicht erzählt. Was es bedeutet, dass René Jahn mit Lutz Bachmann gebrochen hat, das Verhältnis zur AfD etc. – das alles interessiert Sabine Michel nicht.

Während der anschließenden Diskussion meldete sich die junge türkischstämmige Yelda und musste weinen, als sie sagte, dass sie sich von Pegida ausgegrenzt und bedroht fühlt. Ihr Mut zu reden, obwohl ihr die Tränen kamen, war das Wertvollste an diesem Abend.

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