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Mit wenig viel bewirken

Verschiedene europäische Akteure sind mit Kleindarlehen in Entwicklungsländern aktiv. Die Ausfallquote sei gering, heißt es bei Anbietern. Entscheidend dafür sei die Kopplung der Kredite an die Vermittlung von Fachwissen im Rahmen individueller Beratung

Von Bernward Janzing

Schon wenige hundert Euro können in Entwicklungsländern viel bewirken. Vor allem wenn sie nicht als Spende, sondern als Kredit vergeben werden. „Wirtschaftliche Produktivität durch einen Kredit zu fördern ist besser, als Almosen zu vergeben“, sagt Mark Ankerstein, Geschäftsführer der christlich motivierten Stiftung Opportunity Deutschland.

Gemäß dieser Maxime vergibt die Stiftung Mikrokredite an Menschen ohne regelmäßiges Einkommen, selbst wenn die Kreditnehmer nicht einmal Ausweispapiere oder finanzielle Sicherheiten vorweisen können; an Menschen also, die in der Finanzsprache als „nicht bankfähig“ gelten. Und doch sei die Ausfallrate bei Mikrokrediten gering: In ihrem jüngsten Wirkungsbericht beziffert die Stiftung die Rückzahlungsquote auf 99 Prozent.

Entscheidend dafür sei die Kopplung der Kredite an die Vermittlung von Fachwissen, sagt Ankerstein: „Wir beraten unsere Klienten individuell, zum Beispiel, wenn sie einen Kredit für ihre Tätigkeit im Agrarsektor in Anspruch nehmen wollen.“ Zwar agiere Opportunity als Stiftung nicht gewinnorientiert, die Kredite seien aber dennoch verzinst. So viel Normalität müsse sein – für die Klienten auch eine Frage der Würde.

Die Stiftung nennt die Darlehen gerne „soziale Mikrokredite“. Daneben gibt es aber auch europäische Banken, die Mi­kro­kre­dite zur Armutsbekämpfung im Rahmen ihres Geschäftes vergeben. Sie haben diesen Zweig vor dem Hintergrund aufgebaut, dass weltweit 2 Milliarden Erwachsene keinen Zugang zu klassischen Finanzdienstleistungen haben.

So finanziert zum Beispiel die GLS Bank über einen Fonds weltweit Mikrokreditinstitute. Die durchschnittliche Kreditsumme, die die lokalen Partner vergeben, schwanke je nach ­Region, heißt es bei der Bank in Bochum; es seien einige Hundert oder auch Tausend Euro in Südamerika und Südosteuropa und einige Dutzend Euro in Südostasien oder Teilen Afrikas. Die Laufzeiten der Kredite lägen zwischen wenigen Monaten und bis zu drei Jahren, die Zinsen variierten stark je nach Region zwischen 10 und 40 Prozent.

Ähnlich ist das Modell bei Oiko­credit, einer Genossenschaft, die mit dem Kapital ­ihrer Mitglieder aktuell 519 Mi­kro­finanz­orga­ni­sa­tio­nen in 71 Entwicklungs- und Schwellenländern finanziert. Die lokalen Partner vergeben die Kredite zu einem Zinssatz von durchschnittlich 35 Prozent.

„Die Höhe der Zinsen, die für Mikrokredite erhoben werden, erscheint, gemessen an den Zinshöhen hierzulande, sehr hoch“, sagt Imke Schulte, Sprecherin von Oikocredit. Aber die Vergabe von Kleinkrediten sei eben sehr teuer, zumal man parallel die Kreditnehmer auch fortbilde. Zudem seien die Personal- und Transportkosten hoch, weil die Mitarbeiter der örtlichen Mikrofinanzinstitute oft sehr weite Wege zurücklegen müssten, um die Tilgungsbeträge der Kredite wöchentlich oder monatlich einzusammeln. Ohnehin dürfe man die Zinsen nicht mit den hiesigen vergleichen, weil das Zinsniveau in den betreffenden Ländern wegen der hohen lokalen Inflationsraten viel höher sei als in Europa.

Die Zinsen für Mikrokredite erscheinen zunächst sehr hoch

Aus eigener Erfahrung und aus wissenschaftlichen Studien wisse man, dass Kreditnehmer mit ihren Kleinstunternehmen ausreichend hohe Erträge erwirtschaften können, um Zins und Tilgung zu bezahlen, sagt Schulte. Die Ausfallraten seien kontinuierlich rückläufig; im vergangenen Jahr seien lediglich 4,5 Prozent der Kredite mit ihrer Tilgung mehr als 90 Tage im Verzug gewesen.

Die ursprüngliche Idee der Mikrofinanz sei eine Kreditvergabe ohne Sicherheiten gewesen, da es armen Menschen an genau diesen mangelt, sagt Damian Pilka vom Vermögensmanagement der GLS Bank. Doch mittlerweile arbeite man auch mit Bürgen, die zum Beispiel die Eltern oder Ehepartner sein können. Auch Sachwerte, wie ein Auto (etwa in Südosteuropa), würden inzwischen he­ran­gezogen. Das zeige, dass die Mikrokredite oft nicht mehr die Ärmsten erreichen, sondern Menschen die zur Mittelschicht des jeweiligen Landes aufschließen wollen.

Entsprechend ist auch die Euphorie, die einst in der europäischen Entwicklungshilfe herrschte, dem Realismus gewichen: „Mikrokredite sind kein Allheilmittel“ heißt es etwa bei dem globalisierungskritischen Netzwerk Attac.

Auch Fälle von Überschuldung durch Mikrokredite wurden in den vergangenen Jahren bekannt. Deswegen müssten die Anbieter von Kleindarlehen die Empfänger sorgfältig auswählen, schulen und begleiten, fordert die Stiftung Opportunity. Wichtig sei auch, dass das geliehene Geld in Investitionen, nicht in den Konsum fließe. Halte man sich an solche Grundregeln, ist Geschäftsführer Ankerstein überzeugt, helfe Mikrofinanz den Menschen, die Armut hinter sich zu lassen.

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