piwik no script img

Die Wiedergeburt des Spätburgunders

Beim deutschen Pinot Noir hat sich in den vergangenen Jahren viel getan. Eine Generation von Winzern um die 30 versucht wieder, die Lage zur Geltung zu bringen

Auf die Lage kommt es an: Ein Weinlese-Helfer leert Spätburgunder-Trauben aus seinem Eimer in eine Hotte an einem Klingenberger Terrassenweinberg Foto: Daniel Karmann/dpa

Von Christoph Raffelt

Manchmal bedarf es eines Blicks von außen, um zu erkennen, was sich im eigenen Land tut. Ende der 1990er war es der Engländer Stuart Pigott, der sich dem deutschen Riesling verschrieb und sowohl im englischsprachigen Raum als auch hierzulande für eine neue Generation von Winzern warb. Winzer wie Philipp Wittmann oder Martin Tesch waren damals noch weitgehend unbekannt und konnten eine solche Unterstützung gut gebrauchen.

Beim Spätburgunder hat das etwas länger gedauert, bis man auf diese neue Generation aufmerksam wurde. Bei der nach dem Riesling wichtigsten deutschen Rebsorte gab es die erste Qualitätsrevolution bereits in den 1980er-Jahren. Vorher wurde Spätburgunder oft restsüß ausgebaut, mit hohen Erträgen und einer sehr eingeschränkten Komplexität. Die Revolution kam aus dem Ahrtal und vom badischen Kaiserstuhl, wo sich eine ganze Reihe von Winzern daranmachten zu erkunden, wie im Burgund gearbeitet wurde. Das war und ist der Maßstab für alle Pinot-Winzer. Auch wenn das Burgund damals in einer Krise steckte, konnte man sich bei den Besten dort anschauen, wie es geht, große Weine zu erzeugen.

Und genau das haben Winzer wie Franz Keller, Joachim Heger oder Bernhard Huber in Baden sowie Werner Näkel oder Gerhard Stodden an der Ahr umgesetzt. Die Erträge wurden begrenzt, die Weine trocken ausgebaut und in kleine Holzfässer gelegt. Im Laufe der Zeit zogen andere nach; denn dieser Stil fand viele Liebhaber.

Doch so mancher, der zwischenzeitlich diese Weine getrunken hatte, wandte sich wieder von ihnen ab. Viele Spätburgunder lieferten ein Übermaß an plumper Erdbeer- und Himbeerfrucht sowie zu viel Holz. Die Weine zu stark nach Eiche und Speck, und es mangelte ihnen an Frische.

Die Veränderungen hin zu einem neuen Stil passierten schleichend. Und wieder waren es vor allem englische Kritiker, die es bemerkten. Sie waren begeistert vom deutschen Spätburgunder-Wunder. Auch wenn Winzer wie Bernhard Huber, Paul Fürst, Hanspeter Ziereisen oder Friedrich Becker die Fahne lange hochgehalten haben, findet der eigentliche Paradigmenwechsel mit einer Generation statt, die heute erst um die 30 ist.

Diese Generation ist sehr gut ausgebildet, verfügt über noch mehr Offenheit und Experimentierfreude und ist zudem besser vernetzt als die Elterngeneration. So sind die Spätburgunder immer frischer geworden, immer eleganter in der Frucht und immer zurückhaltender im Holz. Nicht mehr die Art des Ausbaus steht im Vordergrund, sondern der Boden und damit die Grundlage dessen, woraus der Wein entsteht.

Wie konsequent man sein kann auf der Suche nach dem Bestmöglichen, zeigt uns Benedikt Baltes. Er hat sich mit Anfang 20 auf die Suche nach einem Weingut gemacht und fand es schließlich 2010 in Klingenberg in Churfranken. Das Weingut liegt genau vor einer der besten Spätburgunder-Lagen Deutschlands, dem vom Buntsandstein geprägten Klingenberger Schlossberg.

Binnen weniger Jahre hat Baltes den Klingenberger Spätburgunder wieder ganz nach oben gebracht. Dabei verzichtet er auf Herbizide und Pestizide und wirtschaftet biodynamisch. Energietechnisch ist er weitgehend autark. Seine Fässer bestehen aus der regionalen Spessarteiche, der Küfer wohnt ein paar Orte weiter.

Neben der Biodynamik hat er sich der Permakultur verschrieben, und auch diese betreibt er mit der ihm eigenen Konsequenz. Statt technische Geräte zu verwenden, schickt er lieber eine Herde Schafe in die Weinberge, um die Begrünung niedrig zu halten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen