berliner szenen: Abends immer ein bisschen Schule
Für die Herbstferien habe ich ein kleines Lernprogramm vorbereitet. Das Kind ist in der 6. Klasse, da ist jede Note wichtig, weil ja schon mit den Quartalsnoten Mitte November die Empfehlung für die weiterführende Schule gegeben wird. Und gleich nach den Ferien stehen dafür noch mal Klassenarbeiten an.
Ich finde ja, es ist besser, jeden Tag ein bisschen lernen, als in der Woche nach den Ferien ganz viel. Meine Idee stößt nicht auf Gegenliebe. Vielmehr häufen sich Diskussionen, wie viele Minuten Lernen für elfjährige Ferienkinder akzeptabel seien. „Mathe kann ich voll gut, da muss ich gar nichts machen.“ Oder auch: „Französisch schreiben wir ja erst am Mittwoch, da hab ich Montag und Dienstag noch genug Zeit zum Lernen.“
Ich blocke das ab. Wie man unlängst in der Zeitung lesen konnte, ist der Leistungsstand Berliner Grundschüler katastrophal. Ich kann das bezeugen.
Abends gibt es jetzt also immer ein Viertelstündchen Schule. Und tagsüber ein, zwei Übungen im Deutsch-Lernblock. Außerdem muss das Kind seine Schulmappe aufräumen und Arbeitsblätter abheften. Heftführung wird praktischerweise auch benotet. Dabei lässt sich gleich der Unterrichtsstoff wiederholen.
Heute finde ich einen Erdkundezettel, den wir bislang übersehen hatten. Es geht um Steinkohle. Das Kind ist schwerst genervt. „Erdkunde, Alter, übelster Abfuck. Frau M. erzählt da dauernd über die DDR. „Steinkohle gab es in der DDR nicht so viel. In der DDR gab es vor allem Braunkohle“, ahmt das Kind die Erdkundelehrerin nach. „Das ist so wie heute mit der AfD. Im Osten ist es überwiegend braun. So kann man sich das ganz gut merken.“
Ich starre ihn an. „Hat sie das echt so gesagt?“, frage ich vorsichtig. Das Kind lacht sich schlapp. „Natürlich nicht, Mama. Das hab ich mir gerade ausgedacht. Ich glaub, ich hab einfach zu viel heute-show geguckt in letzter Zeit.“ Gaby Coldewey
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