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: Argentiniens jüngster Verschwundener –eine Leiche und noch mehr Fragen

Santiago Maldonado ist möglicherweise tot. Am Dienstag wurde in der argentinischen Provinz Chubut eine männliche Leiche gefunden. „Im Río Chubut wurde ein lebloser Körper gefunden, rund 300 Meter flussaufwärts von dem Epizentrum des Konfliktes entfernt, der sich am 1. August 2017 abspielte“, so Bundesstaatsanwältin Silvina Ávila. Maldonado war seit der Räumung einer Straßenblockade durch die staatliche Gendarmerie verschwunden. Der 28-jährige Kunsthandwerker, selbst kein Mapuche, hatte sich den Protestaktionen der Mapuchegemeinschaft Lof Cushamen in Chubut für die Rückgabe ihrer Ländereien angeschlossen. Die befinden sich heute im Besitz der Holding Tierras Sud Argentino, besser bekannt unter dem Namen des Textilherstellers Benetton.

Da bei der Räumung die staatliche Militärpolizei eingesetzt wurde, erschütterte der Fall rasch die Regierung von Präsident Mauricio Macri. Augenzeugen berichteten, Maldonado sei von Militärpolizisten mit einem Fahrzeug gewaltsam verschleppt worden. Dagegen wies Sicherheitsministerin Patricia Bullrich die Beteiligung der ihr unterstellten Gendarmerie am Verschwinden lange zurück.

Mit der stets wachen Erinnerung an die 30.000 Verschwundenen der letzten Militärdiktatur und inmitten des Wahlkampfes für die am Sonntag stattfindende Kongresswahl, geriet Maldonado zum ersten Verschwundenen der Regierung Macri. Keine Veranstaltung oder Politsendung, bei der nicht gefragt wird. Keine Straße ohne Hauswand, auf der nicht Maldonados Gesicht ist. Jeden Monatstag des Verschwindens zogen Zehntausende auf die Plaza de Mayo und fragten: „Dónde está Santiago Maldonado?“ – Wo ist Santiago Maldonado?

Und während sich die Regierung weiter in Widersprüchen, Spekulationen, Halbwahrheiten und Dämlichkeiten verfing („zu 20 Prozent wahrscheinlich, dass er in Chile ist“, Abgeordnete Elisa Carrió), nahmen die Ermittlungen erst langsam Fahrt auf, nachdem der Richter ausgetauscht und nun auch wegen des Verdachts des „gewaltsamen Verschwindens“ gefahndet wurde.

Zutage kam, dass eine Gruppe von acht Mapuche, verfolgt von Gendarmen, in Richtung des Flusses Río Chubut flüchteten und diesen überquerten. Was bei der Verfolgungsaktion genau geschah, ist trotz Vernehmung der daran beteiligten Militärpolizisten ungeklärt.

Sollte es sich bei dem Körper um den von Santiago Maldonado handeln, wirft dies zudem neue Fragen auf: Wie kam er zu Tode? Lag seine Leiche 79 Tage im Wasser? Warum wurde er an einer Stelle gefunden, die bereits dreimal abgesucht wurde? Warum liegt diese Stelle 300 Meter flussaufwärts?

Noch gibt es keine offizielle Bestätigung, dass es sich um Santiago Maldonado handelt. Auf Facebook schreibt die Familie. „Solange die dafür notwendigen Untersuchungen nicht durchgeführt sind, ist es unmöglich, die Identität und die Todesursache festzustellen.“ Jürgen Vogt, Buenos Aires