: Baumwolle nur halb böse
Baumwollbörse warnt davor, die weltweit meistgehandelte Naturfaser zu verteufeln. Die Probleme der Produktion behebt man dadurch aber nicht
Mit Verweis auf eine Erhebung des International Cotton Advisory Committee (ICAC) hat die Direktorin für Kommunikation der Bremer Baumwollbörse, Elke Hortmeyer auf eine differenzierte Betrachtung der Naturfaser gedrängt. „Baumwolle ernährt einen großen Teil der Welt“, so Hortmeyer. Statt das zu würdigen werde ihr Anbau jedoch oft als nicht nachhaltig kritisiert – „häufig auf Grundlage veralteter oder sogar falscher Informationen“. Das gefährde den Absatz.
Laut dem in Halbjahresabständen vorgelegten statistischen Bericht der ICAC, der Organisation baumwolleproduzierender Staaten, ist davon auszugehen, dass derzeit weltweit 200 Millionen Menschen im Baumwollanbau beschäftigt werden, darunter mehr als 61 Millionen Baumwollfarmer. Allein in Indien arbeiten demnach 50 Millionen Menschen im Baumwollsektor, fast 55 Millionen sind es in Afrika.
Dies bestätige „die Einschätzung der Bremer Baumwollbörse, nach der die Baumwollbranche über ein hohes Potenzial zur Schaffung von Arbeit und Wohlstand verfügt“, so Hortmeyer.
Und zeugt von Elend: Denn unerwähnt von der ICAC bleibt, dass in Indien, Pakistan, China, Brasilien, Usbekistan und in der Türkei, also in sechs der sieben größten baumwollproduzierenden Länder, Kinder für die Feldarbeit rekrutiert werden. Oft auch unter unmittelbarem Zwang: In Pakistan geraten Kinder laut Environment Justice Foundation oft in so genannte Schuldknechtschaftsverhältnisse, werden also genötigt, auf den Baumwollfeldern zu arbeiten. Ohne Entgelt: Ihre Leistung wird mit den Schulden ihrer Familien verrechnet.
Schon die unmittelbaren gesundheitlichen Folgen der Kinderfeldarbeit sind dramatisch. Zwar ist Baumwolle selbst, anders als beispielsweise Tabak, ungiftig. Jedoch ist der Pestizideinsatz hochproblematisch gerade für junge PflückerInnen. „Natürlich wollen wir Kinderarbeit nicht schönreden“, so Hortmeyer. Es sei aber „nicht die Baumwolle, die für Kinderarbeit sorgt, sondern die Armut.“ Sie halte es für „problematisch, in ärmeren Ländern unsere westlichen Standards anzulegen“. Benno Schirrmeister
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