piwik no script img

Benno Schirrmeister über Candide am GoetheplatzOhne Witz und Belang

So leer wie am Samstag bei Candide ist das Goetheplatztheater bei Premieren sonst nicht. Und im Nachhinein muss man neidlos anerkennen: Da hatten einige den richtigen Riecher.

Denn Leonard Bernsteins zweieinhalbstündiges Musical nach Voltaires Conte philosophique hat neben einer fidelen Overture und dem von Nerita Pokvytytė mit Bravour absolvierten Smashhit „Glitter and be Gay“ für Koloratursopran wenig zu bieten – sowohl musikalisch als auch theatral: Selten ist es ja ein überzeugender Kunstgriff, ein Bühnenstück hauptsächlich von einem Erzähler aufsagen zu lassen. Im Musiktheater nervt’s. Und dass sich dieser Effekt noch grundlos steigern lässt, hat Regisseur Marco Štorman bewiesen, indem er nicht die deutsche Dia­logfassung oder die Loriot-Version, sondern das englische Original aufsagen lässt. Dafür wurde eigens Gastdarsteller Moritz Löwe verpflichtet, weil er – keine Ahnung warum. Klar ist nur, dass seine englische Aussprache beim Casting keine Rolle gespielt hat.

Viel trägt auch Dirigent Christopher Ward durch sein akzentfreies Dirigat zum Misslingen bei. Grausam ist das, gemessen am unsterblichen bösen Witz der Voltaire’schen Vorlage: Mit dem fiktiven Lebenslauf des Titelhelden hatte der Chefaufklärer einst die metaphysische Doktrin des Optimismus ruiniert. Nach der ist die Welt, in der wir leben, die beste aller möglichen. Klar, sagt Voltaire, bloß: Solange es nur eine Welt gibt, bleibt der Satz auch dann noch wahr, wenn die sich in eine Hölle verwandelt – wie jene, durch die der arme Candide irrt. Der Satz also ist belanglos. Darin trifft er sich mit dieser Produktion.

Termine: 18., 20. 10., 19.30 Uhr

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen