heute in bremen: „Ich kann auch meinen letzten Einkaufszettel vortragen“
Sven Kamin , 38, ist Poetry Slammer, Moderator und Mitveranstalter der „Road to SLAM 2017“.
taz: Herr Kamin, was muss man als Poetry Slammer*in mitbringen, um zu überzeugen?
Sven Kamin: Man überzeugt vor allem durch Authentizität. Die Autoren tragen, anders als beispielsweise im Theater, keine fremden, sondern eigene Texte vor. Somit ist das Publikum ganz nah dran an der Person, die da auf der Bühne steht. Wenn ich im Alltag eine ruhige und introvertierte Person bin, werde ich nicht mit einem lauten und aufgedrehten Text überzeugen können.
Woher kommt Poetry Slam und wann ist es das erste Mal in Erscheinung getreten?
Erfunden wurde Poetry Slam 1986 von einem Bauarbeiter aus Chicago. Er hatte es satt, bei Autorenlesungen immer nur still zu sitzen und wollte dem Publikum die Chance geben, das Gehörte sofort zu bewerten. In den 1990er-Jahren fand Poetry Slam dann Einzug nach Deutschland. Bremen ist eine der ersten deutschen Städte, in denen regelmäßige Slams stattfanden.
Welche Rolle nimmt das Publikum beim Poetry Slam ein?
Dem Publikum kommt eine wichtige Rolle zu. Es kann sich wehren und ist aufgefordert, aktiv am Geschehen teilzunehmen. Hierfür wird eine Jury gebildet, die das Gehörte mit Punkten bewerten kann. Neben der Punktebewertung kommt es darauf an, wie laut die Performance am Ende beklatscht wird.
Wie grenzt sich Poetry Slam vom herkömmlichen Hip-Hop ab?
Poetry Slam grenzt sich vor allem durch seine Vielfalt der Textformen ab. Rap, die Sprachform des Hip-Hop, ist meist rhythmisch. Beim Poetry Slam kann ich auch einen Tagebucheintrag oder meinen letzten Einkaufszettel vortragen. Reim und Rhythmus sind nicht zwingend notwendig. Oftmals entscheiden die Autoren sehr spontan, welche Texte sie vortragen wollen.
Poetry Slamim Rahmen der 21. Deutschsprachigen Meisterschaften „Road to SLAM 2017“, 20 Uhr, Theater am Goetheplatz
Welche Themen sind derzeit bei Poetry Slammer*innen besonders beliebt?
Poetry Slam besticht durch seine thematische Vielfalt. Natürlich habe ich als Person auf der Bühne eine gesellschaftliche Verantwortung. Es müssen aber nicht immer politische Themen sein. Ich habe zum Beispiel einen Text über Scheibenwischer im Repertoire. Jeder Poet hat 5 Minuten Zeit, das Publikum zu überzeugen. Was er daraus macht, bleibt alleine ihm überlassen.
Interview Paula Högermeyer
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