: Brüllen, flüstern, bröseln
Teile der A20 sind weggebrochen
Von Karolina Meyer-Schilf
Sie ist die pflegeintensivste unter allen deutschen Autobahnen: Die A20 zwischen Bad Segeberg und dem polnischen Stettin. Während die meisten anderen Fernstraßen über Jahre geräuschlos ihren Dienst verrichten, bis es endgültig nicht mehr geht und die von immer weiter ansteigendem Schwerlast- und Individualverkehr mürbe gefahrenen Fahrbahndecken erneuert werden müssen, gab es mit der Küstenautobahn von Anfang an Probleme.
Erst brüllte der Beton im mecklenburgischen Schönberg, dann warf der immerhin flüsternde Asphalt im Sommer Blasen, und jetzt bröckelt in Höhe von Triebsees im Landkreis Vorpommern-Rügen auf etwa 100 Metern die Fahrbahn weg. Rund 1.000 Kubikmeter Erde sind dort in Bewegung geraten. In Richtung Rostock ist noch eine Spur befahrbar, in Richtung Westen geht gar nichts mehr. Denn der Rest ist metertief weggebrochen. Zweimal am Tag schwärmen Mitarbeiter des Landesamtes für Straßenbau und Verkehr aus, um Messungen durchzuführen.
Die Autobahn ist an dieser Stelle auf Moor gebaut, in die etwa 20 Meter tiefe Torfschicht getriebene Betonpfeiler sollten den Damm mit der A20 tragen. Vermutet wird derzeit, dass diese Betonpfeiler unterirdisch gebrochen sein könnten, sodass die halbe Fahrbahn schließlich abrutschte. Auch Bewegungen in der Torfschicht kommen als Ursache in Betracht. Die Sanierung soll mindestens zwei Jahre dauern, über die voraussichtlichen Kosten ist noch nichts bekannt – sie gehen vermutlich in die Millionen.
Bereits im Frühjahr wurde bei Messungen eine schleichende Absenkung der Fahrbahn bemerkt. Wie Mecklenburg-Vorpommerns Verkehrsminister Christian Pegel (SPD) erklärte, sei bei der 2005 fertiggestellten Trasse mit den Betonkernen ein damals innovatives Verfahren eingesetzt worden, dass sich nun als nicht haltbar erwiesen hat. Deshalb müsse nachträglich wohl doch eine traditionelle Moorbrücke errichtet werden. Der Verkehr wird jetzt über die Landstraße 19 umgeleitet.
Die Autobahn war nach rund elf Jahren Bauzeit erst im Jahr 2005 eröffnet worden. Sie war das erste Autobahnbauprojekt nach der Wende und kostete zwei Milliarden Euro. Das Verkehrsaufkommen indes blieb unter den prognostizierten Zahlen, und auch die Erschließung der Region durch Firmenansiedlungen blieb hinter den ursprünglichen Erwartungen zurück.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen