: Auch das Laden macht Probleme
In Norwegen bringt der Boom bei E-Autos mancherorts das Stromnetz an die Belastungsgrenze
Von Reinhard Wolff, Stockholm
Als diese Woche in Norwegen die Zahlen der im September neu zugelassenen Pkws bekannt gegeben wurden, gab es einen neuen Rekord: 29 Prozent waren landesweit Elektroautos, in der Hauptstadt Oslo sogar 41 Prozent. Damit wurde zugleich der historisch niedrigste Wert beim durchschnittlichen Kohlendioxid-Ausstoß bei neuen Personenwagen erreicht: 71 Gramm CO2pro Kilometer – 17 Gramm weniger als im September 2016. In Deutschland liegt dieser Wert mit 128 Gramm fast doppelt so hoch.
Doch der Zulassungsboom bei E-Autos bringt auch Probleme. Was die Belastung des Stromnetzes angehe, „balancieren wir mancherorts auf Messers Schneide“, berichtete jetzt Bjørn Brattelid vom Netzbetreiber „Lyse“ der Wochenzeitung Teknisk Ukeblad. Bestellungen für neue Ladestationen müsse man teilweise auf die lange Bank schieben, bis Kabel und Transformatorenstationen entsprechend angepasst seien. Und wenn Freitagabend die NorwegerInnen in ihren Ferienhaussiedlungen alle gleichzeitig noch schnell ihre Tesla wieder aufladen, könnten schon mal die Lampen flackern.
Engpass ist nicht die Stromproduktion, die auch bei 1,5 Millionen E-Autos nur um wenige Prozent steigen würde, sondern das Netz. Das wurde auf das erwartete Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum hin ausgerichtet: auf die derzeit stattfindende „grüne Revolution“ und die damit verbundene „drastische Mehrbelastung“, sagt Brattelid. Größere Autos und immer leistungsfähigere Batterien hätten auch Simulationen, die man erst vor einigen Jahren angestellt habe, schnell veralten lassen, erläutert Bernt Arild Bremdal, Professor für Datatechnik an der Universität Tromsø, und warnt: „Im schlimmsten Fall kann es zum Zusammenbruch von Teilen des Netzes kommen.“
Es muss also massiv investiert werden. Und das nicht nur in Netze, Batterielager und smarte Technik, die das Laden und Speichern zu Zeiten niedrigen Stromverbrauchs erleichtert. Auch der Zubau bei den öffentlichen Ladesäulen hinkt vor allem in den städtischen Regionen kräftig hinter dem Wachstum bei den Zulassungszahlen hinterher. Angesichts einer EU-Empfehlung von einer Ladestation für jeweils zehn Elektroautos müssten es eigentlich schon jetzt zweieinhalb mal mehr als die tatsächlich vorhandenen sein.
Das Tempo des Infrastrukturausbaus muss kräftig gesteigert werden fordert Christina Bu, Generalsekretärin der E-Auto-Vereinigung Norsk Elbilforening. Schließlich sollen laut einem Parlamentsbeschluss in Norwegen ab dem Jahr 2025 keine Pkws mit fossilem Antrieb mehr neu zugelassen werden. 2050 will das Land die „erste voll elektrifizierte Nation der Welt“ sein.
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