: Kleine: zweimal grün, einmal liberal
Aus Wien Robert Misik
Je mehr sich die drei großen Parteien SPÖ, ÖVP und FPÖ ineinander verhaken, je schriller der Wahlkampf auch geführt wird, umso schwieriger ist es für die kleineren österreichischen Parteien, genügend Aufmerksamkeit zu erlangen. Zugleich hoffen die Kleinen wiederum, dass der Schmutzkübelwahlkampf ausreichend viele Wähler zu ihnen treibt. Es sind vor allem drei Parteien, die hoffen können, ins Parlament einzuziehen.
Da sind einmal die liberalen Neos, denen Wähler zulaufen können, die nun doch nicht für den ÖVP-Jungstar Sebastian Kurz stimmen. Sie können auch auf christdemokratische Wähler hoffen, denen der Anti-Ausländer-Wahlkampf der ÖVP gegen den Strich geht.
Die Grünen haben sich im Vorwahlkampf gespalten, einer ihrer langjährigen und profiliertesten Politiker, Peter Pilz, hat sich selbständig gemacht und kandidiert jetzt mit der eigenen „Liste Pilz“. Das grüne Wählersegment dürfte sich ziemlich genau in der Mitte spalten und auf beide Parteien verteilen.
Aber auch hier gilt: Vorhersagen sind weitgehender Blindflug. Jede der drei Kleinparteien kann auch theoretisch an der Vierprozenthürde scheitern. Aber sehr wahrscheinlich ist das nicht.
Im Moment gibt kaum jemand etwas auf die Akkuratesse der Umfragen, zu groß sind auch die Diskrepanzen zwischen den einzelnen Instituten, aber grob gesprochen sieht das Bild vier Tage vor der Wahl so aus: Die ÖVP irgendwo bei 33 Prozent, SPÖ und FPÖ beide jeweils zwischen 27 und 23 Prozent, und die drei kleinen alle bei Werten zwischen 4 und bestenfalls 8 Prozent.
Angesichts eines Sechsparteienparlaments und des brutalen Kriegs, den sich SPÖ und ÖVP liefern, stellt sich die Frage, wie Österreich überhaupt regiert werden könnte. Gewinnt Sebastian Kurz und die ÖVP hoch, könnte eine Regierung aus ÖVP, Grünen und Neos möglich sein – das ist aber wirklich nur eine sehr theoretische Variante. Gewinnt die SPÖ überraschend deutlich, könnte eine Vierparteienregierung aus SPÖ, Grünen, Neos und Liste Pilz regieren. Aber auch hier gilt: Wahrscheinlichkeitslevel äußerst gering.
Die wahrscheinlichste Variante ist, dass die ÖVP und die FPÖ eine Rechts-rechts-Regierung bilden und Österreich eine Art Orbanisierung light erlebt (oder im schlimmsten Fall: nicht so light).
Unrealistisch, aber nicht ganz ausgeschlossen: dass SPÖ und FPÖ eine „rot-blaue Regierung“ bilden. Diese würde die SPÖ aber vor eine Zerreißprobe stellen.
Auf eine Neuauflage der Großen Koalition würden aber wohl noch weniger Leute wetten.
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