: Bobby Cars und Blumenkübel
DAS MITTELSTANDSDORF Thies Schröder lebt in einem Townhouse auf dem Mauerstreifen an der Bernauer Straße. Als Dörfler sieht er sich dennoch nicht. Eher als Pionier einer neuen Eigentumsform
Schaut Thies Schröder aus dem Fenster, defilieren sie an ihm vorbei, die Touristenmassen aus Italien und den USA, die an der Bernauer Straße das ehemals geteilte Berlin suchen. Nur zwei Meter trennen seinen Arbeitsraum vom ehemaligen Postenweg. Bewohner und Touristen dicht an dicht, das geht wohl nur in einer Stadt.
Dennoch haben Schröder und die Bewohner der anderen 15 Townhouses auf dem ehemaligen Mauerstreifen mit dem Ruf zu kämpfen, ein Dorf in die Stadt gesetzt zu haben. Umgeben von fünfstöckigen Mietskasernen leben sie mit ihren Kindern in schmalen, gestapelten Reihenhäusern mit familiärer Atmosphäre. „Unser Dorf“, sagt Schröder, „manchmal nennen wir es selber scherzhaft so.“ Dennoch glaubt der Landschaftsplaner und Verleger, dass hier auch ein Stück neue Stadt entstehen kann.
Zu seinem Townhouse kam Schröder durch Zufall. Von seiner Schwester, einer Architektin, hörte er, dass eine Schweizer Pensionskasse 16 Grundstücke in Erbpacht vergibt. „Ich hatte grade mal einen Tag zum Nachdenken“, erinnert er sich. Schröder und seine Frau schlugen zu, die Architekturleistung kaufte er zum Familientarif, wenig später war für 400.000 Euro ein Stück Idylle mitten in der Metropole entstanden. „Leben und arbeiten unter einem Dach“, glaubt der 47-Jährige, „das ist nicht Dorf, sondern Berliner Mischung.“
Oben auf der Dachterrasse zeigt Thies Schröder auf den kleinen Weg, der zwischen den 16 Townhouses entlangführt. „Wir haben lange überlegt, ob wir diesen Weg für die Öffentlichkeit sperren“, sagt er. „Ein Bobbycar hier, ein Kinderwagen da, und am Ende noch ein paar Blumenkübel hätten gereicht, um jeden Passanten abzuschrecken.“
Noch immer ist Thies Schröder froh, dass es beim Gedanken blieb – bis heute ist der Weg offen. Für Schröder ist auch das ein Hinweis auf die urbane Gesinnung seiner Mitdörfler. Und auf eine Frage, die bislang wenig diskutiert werde: „Entweder man ist in Berlin Mieter oder Eigentümer“, sagt Schröder. „Wären wir Eigentümer geworden, hätten wir den Weg wohl zugemacht.“
Aber Schröder ist kein Eigentümer, sondern ein „Erbpachtnehmer“, wie er sagt, einer, dem nur das Gebäude gehört, in dem er lebt, nicht aber der Grund und Boden. „Vielleicht sollte dieses Eigentumsmodell in einer Stadt wie Berlin Schule machen“, sagt er. „Über die Architektur kann man dann immer noch reden.“
Nur über Kampfhunde nicht. Die sind im Stadtdorf vertraglich verboten. UWE RADA