11 Freunde für 3 Tage

AUS BERLIN LUKAS WALLRAFF

Dieter Althaus und Roland Koch sind nach Berlin gekommen, um einen gemeinsamen „Wahlaufruf“ der elf Ministerpräsidenten von CDU und CSU zu präsentieren. Das zweiseitige Papier endet mit einer äußerst überraschenden Empfehlung: „Wählen Sie mit Ihrer Erst- und Zweitstimme CDU und CSU!“ Wer hätte das gedacht? Die Ministerpräsidenten der Union unterstützen ihre eigene Partei!

Wann sie auf den brillanten Einfall kamen, diese pure Selbstverständlichkeit in Schriftform zu gießen, wird nicht ganz klar. Man habe sich „vor einigen Tagen dazu entschlossen“, sagt Althaus. „Das ist in den letzten Wochen geplant worden“, sagt Koch. Wie auch immer: Die Parteichefin und Kanzlerkandidatin hatte jedenfalls nichts dagegen. Angela Merkels eigener Parteisprecher leitet die Präsentations-Pressekonferenz in der CDU-Zentrale. Warum auch nicht? Schon am Vortag hatte Merkel ja betont, sie könne jeden brauchen, der mithilft. Das war auf Friedrich Merz gemünzt, gilt offensichtlich aber auch für Herrn Koch aus Hessen, für Herrn Althaus aus Thüringen und für all die anderen Länderfürsten, die den Aufruf unterschrieben haben. Und in dem Papier stehen ja auch viele schöne Sätze, die so klingen, als würden die Ministerpräsidenten jetzt aber wirklich, aus voller Überzeugung und ohne jeden Abstrich Merkel helfen. So geben sie sich überzeugt: „Angela Merkel wird als Bundeskanzlerin Deutschland aus der Krise führen.“ Und sie versprechen schwarz auf weiß, Merkel im Bundesrat dabei zu unterstützen – wenn auch nur sehr vage, ohne Festlegungen auf konkrete Maßnahmen. Aber wer liest schon das Kleingedruckte, die zwischen den Zeilen versteckte Drohung, alles sei mit ihnen dann doch nicht zu machen? Schließlich ist es „höchste Zeit für einen neuen Anfang“.

Warum erst jetzt? Diese Frage bekommen jedoch zunächst einmal Koch und Althaus selbst zu hören. Es weckt eben Erstaunen, wenn sich elf Ministerpräsidenten zu einem Unterstützungsappell zusammenfinden für die eigene Partei – drei Tage vor der Wahl. Koch nähert sich einer Erklärung: „Die letzte Woche war ein bisschen aufwühlend für die Wählerinnen und Wähler der CDU/CSU.“ Jeder weiß, was er meint: Die Umfragewerte der Union waren gesunken, die Zeitungen voll von Kritik an Merkels Wunschfinanzminister Paul Kirchhof. Wer dazu beigetragen hat, sagt Koch natürlich nicht. Sich selbst ausdrücklich zu geißeln, wäre denn doch zu viel verlangt. Es reicht, dass Koch überhaupt erschienen ist, um die Huldigungsadresse an Merkel abzugeben. Für den ehrgeizigen Hessen eine schwierigere Verbiegungsübung als für den braven Merkel-Freund Althaus. Außerdem: Bei einer Manöverkritik hätte Koch ja auch noch mindestens zwei Freunde aus dem Andenpakt der West-CDU-Männer nennen müssen, die keine Gelegenheit ausgelassen hatten, dazu beizutragen, dass Merkels Favorit Kirchhof ab- und Merkels Feind Merz hochgeschrieben wurde: Christian Wulff aus Niedersachsen und Günter Oettinger aus Baden-Württemberg. Von Edmund Stoiber ganz zu schweigen, der den Wahlkampf mit seinem Ossi-Bashing bereichert hatte.

Alles Schnee von gestern – das soll die Botschaft sein. „Ich glaube“, sagt Koch, „es ist wichtig, dass man in der letzten Woche eines Wahlkampfs die Dinge zusammenbindet.“ Aus Merkels Umfeld ist hinterher zu erfahren, man habe mit der Aktion der Ministerpräsidenten an Merkels Anspruch, „durchregieren“ zu können, anknüpfen wollen. Koch gibt sich alle Mühe, diese Illusion aufrecht zu erhalten – wenigstens für die letzten drei Wahlkampftage. „Wir können ein Hickhack ausschließen“, sagt er über die Zusammenarbeit zwischen einer Regierung Merkel und dem Bundesrat. „Ihre Chancen, über Streitigkeiten zwischen Bund und Ländern zu berichten, werden sehr viel geringer werden.“ Wer’s glaubt, wird CDU-Wähler.