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Berliner SzenenFingernagelanstrich

Im Shoppingcenter

„Ach“, sag ich, „Sie nutzen das ja selber nicht“

Mein Portemonnaie ist kaputt. Das geht so nicht weiter, find ich, und weil ich das find, finde ich mich auf einmal in so’nem Shoppingcenter. Ich mag so was nicht, aber richtig schlimm ist es heut nicht, vor allem nicht voll. Und vielleicht weil’s nicht so voll ist, winkt mich nach dem Portemonnaiekauf einer vom Fingernägelverschönerungsstand ran, was ausprobieren und so.

„Ach“, denk ich. „Klar! Ich leb schließlich, um was zu erleben.“

Und schon greift der Nägelverschönerungsmann nach meiner Hand, erst erfreut, dann nicht mehr erfreut, als er meine Nägel aus der Nähe sieht: kurz, kein Lack … Ich muss lachen. Er lacht zurück, unsicher zwar, nimmt dann aber doch so’n komisches Teil und macht an mir rum, Zeigefinger, rechts; erklärt, poliert und dann lässt er mich gucken.

„Das hält mindestens zwei Wochen!“ Er strahlt. „Drei!“

Mein Fingernagel strahlt auch; ganz trüb sehen die anderen daneben aus. Aber ganz ehrlich mal jetzt: Trüb gefällt mir viel besser. Ganz schnell zieh ich meine Hand weg, bevor er auf die Idee kommt weiterzumachen, mir zehn Finger mal drei Wochen Glanz anzudrehen.

Aber das hat er nicht vor; er hat vor, mir seinen Superpolierer anzudrehen.

„Ach“, sag ich, zeig auf seine Nägel. „Sie nutzen das ja selber nicht.“ – „Aber –“ Er schnauft. „Ich bin doch ein Mann!“

„Oh je“, denk ich. „Was für’n Quatsch.“ Nur sagen tu ich das nicht, dazu bin ich zu höflich, zu überrascht. Ich verabschied mich, gehe nach Hause, und da sitz ich mit meinem einen Nagel auf Glanz, bis mir der Nagellack einfällt, den ich noch hab, so alt, dass er bestimmt schon voll trüb ist. Und dann trüb ich den Glanz, male alle fünf Finger rechts an und freu mich, dass die neue Farbe zur Farbe vom neuen Portemonnaie passt und ich glatt was erlebt habe heute, in’nem Shoppingcenter auch noch. Joey Juschka

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