: Unauffällige Terroristenjagd
Großbritannien Mehrere Festnahmen und Hausdurchsuchungen nach dem Londoner U-Bahn-Anschlag vom Freitag. Aber die Polizei setzt im Straßenbild auf Diskretion
Aus London Daniel Zylbersztajn
Nach der Terrorattacke auf einen vollen Londoner U-Bahn-Zug mit 29 Verletzten am Freitagmorgen, zu dem sich der „Islamische Staat“ (IS) bekannt hat, sucht die britische Polizei mit Hochdruck das mutmaßliche Täternetzwerk. Am Samstagnachmittag kam es zur Festnahme eines 18-Jährigen im Hafen von Dover im Süden Englands, wichtigster Fährhafen Richtung Europa. Es liegt nahe, dass die Person die Ausreise aus Großbritannien versucht haben könnte, doch gibt es von Seiten der Polizei keine weiteren Einzelheiten. Innenministerin Amber Rudd bezeichnete die Festnahme als „signifikant“. Samstagnacht kam es zu einer zweiten Festnahme: In einer Wohnsiedlung des Westlondoner Stadtteils Hounslow nahe am Flughafen Heathrow wurde ein 21-Jähriger unter dem Antiterrorgesetz festgenommen. Die Wohnung wurde am Sonntag einer forensischen Durchsuchung unterzogen.
Auch in Sunbury-on-Thames, westlich von London, kam es zu einer Hausdurchsuchung. Es handelte sich um das Wohnhaus eines älteren Ehepaars, das seit Jahrzehnten als Pflegeeltern arbeitet und dafür mit einem Verdienstorden ausgezeichnet worden ist. Die Durchsuchung galt nicht dem Ehepaar, sondern stand im Zusammenhang mit dem 18-Jährigen in Dover.
Die selbst gemachte Sprengstoffmischung, die mitten im Berufsverkehr in einer in einem Eimer steckenden Plastiktüte in einem U-Bahn-Zug der District Line am Bahnhof Parsons Green explodiert war, glich laut Sicherheitsminister Ben Wallace jener, welche im Mai in der Manchester Arena explodiert war. In Manchester hatte die Explosion aus einer TATP-Mischung beim Suizidattentat auf ein Popkonzert 23 Tote gefordert und über 250 Verletzte. Einige Medien, darunter der britische Guardian, sprechen in Bezug auf den jüngsten Anschlag bereits offen von einer „TATP-Satan-Mutter-Bombe“. Auf direkte Anfrage der taz, ob sich in dem Eimer der Terrorattacke am Freitag ebenfalls Nägel und Metallteile befanden wie in Manchester, wollte Scotland Yard am Sonntag keine Angaben machen.
Am Sonntagnachmittag hob Großbritannien die höchste nationale Terrorwarnstufe wieder auf. Diese war am Freitagabend nach der Terrorattacke von einem unabhängigen Gremium verhängt worden. Sie bedeutet, dass nach Behördeneinschätzung ein weiterer Terrorangriff unmittelbar bevorstehen kann. In dieser Alarmstufe kann die Arbeit der Polizei durch Militärkräfte verstärkt werden.
An Londons Verkehrsknotenpunkten war am Sonntag eine leicht verstärkte Polizeipräsenz bemerkbar. Es handele sich dabei jedoch in erster Linie um unbewaffnete Beamte. Allerdings versicherte ein Beamter am Bahnhof Euston, dass sich auf den weniger sichtbaren oberen Gängen bewaffnete Polizisten befänden.
Offenbar setzt man auf Diskretion. Bewaffnete Polizisten traf die taz nur auf einer eher menschenleeren Straße in der Nähe des British Museum an. Sie sagten, dass ähnliche Patrouillen überall in der Stadt stationiert seien. Dennoch geht das Leben in London für die meisten ganz normal weiter. Es zirkulieren aber deutlich mehr Polizeitransporter, und beim Spitzenspiel Chelsea gegen Arsenal, nicht weit vom Anschlagsort entfernt, galten verschärfte Sicherheitsmaßnahmen.
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