: Die Spitze des Fleischbergs
Schwarzarbeit-prozess
Der Prozess vor dem Oldenburger Landgericht, bei dem es um die mutmaßlich illegale Beschäftigung von 800 BulgarInnen bei der Firma Geestland Putenspezialitäten in Wildeshausen geht, ist eine seltene Ausnahme. Obwohl sich die Arbeitsbedingungen in der gesamten Fleischbranche ähneln, sei dieser Fall einer der wenigen, „die wirklich mal zur Verhandlung kommen“, wie es der Staatsanwalt vergangene Woche formulierte. Die verhandelten Vorkommnisse liegen schon fast zehn Jahre her – so lange hat es gedauert, bis der Prozess gegen den Geestland-Geschäftsführer Norbert D. und den ehemaligen Wiesenhof-Prokuristen Frank D. eröffnet werden konnte.
Die Beweisaufnahme ist schwierig: Die Firmengeflechte sind schwer zu durchschauen, ebenso die Buchhaltung. Frank D. etwa war neben seiner Eigenschaft als Wiesenhof-Prokurist auch Geschäftsführer der damaligen ZVS, einer Personalvermittlungsfirma. Die wiederum versorgt bis heute, nur unter neuem Namen, Fleischbetriebe wie Wiesenhof und Geestland mit osteuropäischen Arbeitskräften. Seine – bei Wiesenhof angestellte – Sekretärin machte die ZVS-Buchhaltung gleich mit.
Die bulgarischen Subunternehmen, bei denen die ArbeiterInnen offiziell angestellt waren, wechselten gelegentlich die Namen – aber die ArbeiterInnen blieben an Ort und Stelle: schlachten, zerlegen, verpacken, und das für vier bis fünf Euro Stundenlohn. Offiziell auf Werksvertragsbasis, mutmaßlich aber in illegaler Leiharbeit. Das zu beurteilen ist jetzt Sache der großen Wirtschaftsstrafkammer am Oldenburger Landgericht.
Eine Grundlage sind die umfangreichen Ermittlungen des Zolls, der im Rahmen anderer Ermittlungen gegen Wiesenhof über die Firma Geestland gestolpert war und die elektronischen Arbeitszeit-Datensätze, die Buchführung und den Schriftverkehr akribisch ausgewertet hat. Eine weitere sind Zeugenaussagen: Dass sich die teilweise immer noch für Geestland arbeitenden ZeugInnen nach rund zehn Jahren kaum noch erinnern können oder wollen, macht die Sache allerdings nicht einfacher. Eine erste Einschätzung des Gerichts wird für Ende September erwartet. KMS
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen