Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

In Chinas Biergärten reüssiert die Stasi, Macron macht einen auf Schröder und in der AfD wird Parfüm auf braune Masse gegossen.

Porträt Macron

Bismarck rechts überholen. In Frankreich. Mon dieu! Foto: reuters

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?

Friedrich Küppersbusch: Mir. Beim Lesen der Wasserstoff-Bomben-Meldung.

Und was wird besser in dieser?

Man hofft, dass es Fake News war.

Auf einem Bierfest hat die chinesische Polizei 25 gesuchte Straftäter dank eines Gesichtserkennungsprogramms festnehmen können, das an den Eingängen zum Festival in der Heimat der Biermarke Tsingtao eingerichtet war. Ein Argument für Bier? Oder für Gesichtserkennung?

Später Triumph der deutschen Kolonialmacht! Tsingtao ist der Hafen, den Kaiser Wilhelm überfallen ließ („Gefangene werden nicht gemacht“) und formell von China pachtete. Der Ort wurde gewaltsam verdeutscht und pickelhaubisiert, bis hin zur eigenen „Germania“-Brauerei. Im Gegensatz zu den Hunnendeutschen mochten die Chinesen deren Bier, benannten es um auf den Herkunftsort und trinken es bis heute. Nun also Prost Stasi. Bisschen arg deutsch langsam.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wandelt mit seinen Arbeitsmarktreformen auf den Spuren der deutschen Agenda 2010. Ist das eine gute Idee?

Vermutlich kann man auch wesentlich jüngere Parteien als die SPD halbieren. „En Marche“ ist anderthalb Jahre alt und muss keine gewerkschaftlichen Ankertaue zerhacken. Viel beachtet: Macron will Abfindungen deckeln. Die liegen in Frankreich, ruhmreicher Sieg der Arbeiterklasse, deutlich über beispielsweise deutschem Niveau. Tiefgreifender: Die Sozialkosten sollen künftig aus Steuern finanziert werden, um die Lohnkosten zu entlasten. Das ist ein feuchter Traum auch deutscher Neoliberaler, Bismarck rechts zu überholen und Rente, Krankenkasse, Arbeitslosigkeit davon abhängig zu machen, dass gerade genug Geld im Staatshaushalt liegt.

Gute Nachricht für Volkswagen. Der US-Bundesstaat Wyoming wollte VW verklagen, doch die Klage wurde abgewiesen. Haben Sie sich schon mit VW-Aktien eingedeckt?

Ich greif auch sonst gern in fallende Messer. Die US-Entscheidung besagt, dass die Umweltsauerei mit der nationalen Behörde verhandelt werden muss, nicht mit den Bundesstaaten einzeln. Da hat VW bereits einen 2,9- Milliarden-Deal. Über die zweite Katastrophe – die Entschädigungen für die Käufer – ist damit noch nichts gesagt. Auch nicht über die Lage in den Bundesstaaten, für die das aktuelle Gericht nicht zuständig ist. Im Vergleich zum US-Verbraucherschutz ist Merkel wattebaushing around.

Mit „Gottes Segen und auf Wiedersehen“ hat Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg am Mittwoch einen Wahlkampfauftritt in Kulmbach beendet. Glauben Sie ihm?

Der letzte Politiker, den die Bild-Zeitung erfand, endete als Kokser in Brasilien. Und schillern kann der Baron nun auch. Er ist eine Dual-use-Waffe Seehofers: Erstens zieht der ewige Hotte immer dann einen neuen Helden aus dem Hut, wenn er die anderen mobben will. Aigner kam nach München, Söder blies sich auf, jetzt wird Guttenberg geprinzt. Ergebnis: Ewiger Horst teilt und herrscht.

Alexander Gauland von der AfD hat über die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoğuz (SPD), gesagt, dass man sie „in Anatolien entsorgen“ wolle. Ist das dieser gemäßigte Konservativismus, den die AfD-Wählerinnen und -Wähler so attraktiv finden?

Man war doch schon irritiert, dass die Tourette-Fraktion der AfD – von Storch, Höcke, Poggenburg – in eine nachgerade undeutsche Omertà verfiel im Wahlkampf. Der TV-Spot der AfD spielt Doppelkopf: Gauland stinkt aus dem Stiefel, Weidel wedelt feinsinniges Parfüm drüber. Das suggeriert eine breite Aufstellung („rechtens, nicht rechts“), wo man nüchtern braune Masse mit blaurotem Zuckerguss befürchten darf. Gauland war länger in der CDU als Angela Merkel, das scheint seinem Instinkt für den rechten Schub zur rechten Zeit nicht abträglich gewesen zu sein.

„Ich bin nicht benutzbar“, hat Ex-basta-Kanzler Gerhard Schröder geantwortet, als er gefragt wurde, ob er bei seinem voraussichtlichen neuen Job im Aufsichtsrat des russischen Energieriesen Rosneft nur ein Aushängeschild des russischen Präsidenten Wladimir Putin sei. Ist das noch Ihr Gerhard Schröder?

„Transatlantiker“ galt lange als die Ehrenarmbinde für besonders weltgewandte Politiker. Dagegen mag Schröder – ganz in der Tradition erfolgreicher SPD-Ostpolitik – sich als sturer „Kontinentalist“ fühlen. Geografisch sind wir eher die Westküste Russlands als die Ostküste der USA. Überraschung. Soweit also mag er eine politische Geste in seinem ostigen Engagement sehen. Was er nicht zugibt: Sein Potenzial als Wahlkämpfer ist gelähmt. Da fällt es schwer, zu glauben, der Termin der Debatte sei der russischen Seite unrecht.

Im Juli sind vier Rekruten bei einem Ausbildungsmarsch kollabiert. Einer starb. Im vorläufigen Untersuchungsbericht steht was von „ungünstiger Verkettung von Umständen und Faktoren“. Haben Sie eigentlich gedient?

Zivildienst. Bis zum Nichtumfallen. Und als Bürger in keiner Uniform hätte ich dem Zivildienstbeauftragten sagen können, wann’s zu hart wird. Das erwartet das Konzept der „Inneren Führung“ auch von der Bundeswehr, und also ist die Nachricht in der Nachricht: Da herrscht ein Geist, in dem Untergebene ihren Vorgesetzten auch in größter Not nicht in den Arm fallen. Die Jungs mussten an einem warmen Sommertag in Felljacke und Splitterschutzweste 6 Kilometer Dauerlauf leisten und zwischendurch ­Liegestütz machen. Hier greift die Bundeswehr konjunkturgefährdend die Arbeitsplätze in Domina-Studios an.

Und was machen die Borussen?

Ex-Trainer Thomas Tuchel setzt eine feine Pointe: Die Empörung über den Wechsel seines Schützlings Dembélé sei übertrieben, „man muss aufpassen, dass es nicht zu moralisch wird.“ Sagt der Mann, der unter anderem mit dem Vorwurf moralischer Überheblichkeit gemobbt wurde. Schöner Hackentrick.

Fragen: jük

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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