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KUNST

KunstKito Nedoschaut sich in Berlins Galerien um

Eine blaue Schlängellinie zieht sich über zwei Schaufenster und ein Fassadenstück der ifa-Galerie.Was im Straßenraum rätselhaft und unvermittelt bleibt, löst sich in der Ausstellung „Vorsicht Stufe / Kopf weg“ der Künstlerinnen Irene de Andrés und Sofía Gallisá Muriente auf. Die Linie ist der sogenannten zweiten Reise (1493 bis 1496) des Seefahrers Christopher Kolumbus nachempfunden, bei der er unter anderem auf der Insel landete, die heute Puerto Rico heißt. Die historische Route ähnelt jenem Seeweg, dem europäische Karibiktouristen heute folgen, um ihre Ferienressorts anzusteuern. In ihrer Schau haben de Andrés und Gallisá Muriente historisches und zeitgenössisches Foto- und Filmmaterial zu einer Installation zusammengeführt, an der sich nachvollziehen lässt, wie ein Ferien- und Investment-„Paradies“ medial konstruiert wird. Die Realität sieht anders aus: Puerto Rico, das zu den sogenannten „Außengebieten“ der USA gehört, ist pleite – garantiert kein paradiesischer Zustand (bis 17. 9., Di.–So. 14–18 Uhr, Linienstraße 139/140).

Mitte der Neunziger hämmerte die Berliner Künstlerin Ulrike Grossarth wie mit einer Schreibmaschine die Buchstaben von fünf philosophischen Grundbegriffen – Metaphysik, Sinn, Zweck, Logik, Transformation – jeweils immer wieder auf dieselbe Stelle und hinterlegte ihre künstlerisch verdichtete Wort-Zeichnung mit fleckenförmigen Glasplatten in Rot, Orange, Blau, Grün und Gelb. Wie Geheimzeichen schweben die Buchstabenschichtungen (die Künstlerin spricht auch von „Monopolen“) derzeit über die Wand bei Zwinger.Ihnen gegenübergestellt erscheinen Zeichnungen, angelehnt an die frühneuzeitlichen Begriffsbilder des Italieners Cesare Ripa. Mit seiner „Iconologia“ fand der Schriftsteller und Koch seinerzeit eine bildhafte Gestalt für abstrakte Begriffe und erzielte so bei seinen Zeitgenossen große Erfolge. Grossarth zielt auf die Geschichte des Schreibens, Lesens und Denkens und beharrt auf der Kunst als erkenntnistheoretische Praxis (bis 21. 10., Di.–Sa. 12–18 Uhr, Mansteinstr. 5).

Neugierig bin ich auf die Ausstellung des 1987 geborenen Berliner Künstlers Samuel Jeffery bei Oracle, deren Eröffnung am Mittwoch sich mit dem Redaktionsschluss überschnitt. Für Jeffrey scheint die Devise „less is more“ zu gelten. Er arbeitet mit Spiegeln und weißlich-monochromen Flächen. In der Ausstellung ohne Titel gibt es drei minimalistische Schachtelobjekte zu sehen, die sich auf zwei Sockel verteilen. Bevor nächste Woche die Berliner Kunstsaison offiziell beginnt, ist das Timing der Schau genau richtig (bis 15. 10., nach Anmeldung unter oracle@theoracle.works, Joachimsthaler Str. 14).

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