: Sächsische Linkspartei rüttelt aussichtslos am Lehrstuhlprinzip
Hochschulgesetz Am Montag diskutierte der Dresdner Landtag über die Reformvorschläge – CDU-Abgeordneter spricht von „ideologischem“ Entwurf
Das alles dominierende Lehrstuhlprinzip nämlich kritisiert die Linkspartei in ihrer Novelle. Stattdessen favorisiert sie das außerhalb des deutschen Sprachraums übliche Departement-System. Der Entwurf setzt außerdem auf eine breitere demokratische Beteiligung aller Hochschulgruppen, den Abbau von Studienhindernissen und eine Annäherung der Fachhochschulen an den Status von Universitäten.
Die Mühe eines aussichtslosen Oppositions-Gesetzentwurfes war es Neubert wert: Durch ihn wollte seine Partei schwelende Diskussionen aufgreifen. Anlässe gab es mehrere. An der Universität Leipzig hätte es der Hochschulrat fast geschafft, die Wiederwahl der Universitätsrektorin Beate Schücking zu verhindern. Ein Unding, findet die Linkspartei. Dann schloss das sächsische Wissenschaftsministerium mit den Hochschulen einen Entwicklungspakt – ohne dass das Parlament eingebunden war. Zudem macht die Große Koalition aus SPD und CDU keine Anstalten, sich an die Reform des noch von Schwarz-Gelb beschlossenen Hochschulfreiheitsgesetzes zu wagen, das unter anderem den Austritt aus der verfassten Studierendenschaft ermöglicht.
Die massivsten Änderungswünsche der Linken am derzeit geltenden Hochschulgesetz betreffen deshalb das wissenschaftliche oder künstlerische Personal. Der akademische Mittelbau soll aus der „sklavischen“ Abhängigkeit von Professoren befreit werden. Nicht mehr als die Hälfte ihrer Arbeitszeit soll diese weisungsgebundene Tätigkeit noch in Anspruch nehmen dürfen, ein Drittel sollen Wissenschaftler selbständig arbeiten und forschen. „Wir müssen Perspektiven jenseits der Professur schaffen“, fordert Neubert, denn der „Flaschenhals“ zur allein selig machenden Professur werde immer enger. Die Eindämmung der befristeten Wissenschaftler-Zeitverträge ist ein Schritt in diese Richtung.
Die externe Steuerung durch Hochschulräte soll nach Vorstellung der Linken wieder abgeschafft werden, der Senat als Vertretung aller Gruppen wird wieder das entscheidende Gremium werden. Originell ist das vorgeschlagene Kreuzwahlrecht, das beispielsweise Professorinnen und Studierenden eine Mitwahl von Vertretern der jeweils anderen Gruppe ermöglicht. Mit einem „Orientierungsstudium“ und der Senkung der Hürden für Ausländer und Absolventen des zweiten Bildungswegs will die Linkspartei mehr Studierende an die Hochschulen holen. Für Behinderte oder junge Elternteile soll ein Teilzeitstudium angeboten werden. Sämtliche Studiengebühren, auch die bei Überschreitung der Regelstudienzeit und die für ein Zweitstudium, würden abgeschafft. Die „Hochschule für alle“ soll jegliche Form der Diskriminierung vermeiden.
Ansatzweise finden sich diese Forderungen auch bei der rot-rot-grünen Koalition im benachbarten Thüringen wieder. Das SPD-geführte Wissenschaftsministerium hat im Juni einen Gesetzentwurf vorgelegt, der einen Spagat zwischen der verfassungsrechtlich gebotenen Entscheidungsmehrheit von HochschullehrerInnen und einer Abkehr von deren starker Dominanz versucht. Auch hier sollen Befristungen genauer überprüft, die paritätische Vertretung aller Gruppen im Senat gestärkt werden und der Mittelbau selbstständiger forschen können. Den Hochschulrat als externes Aufsichtsgremium will Thüringen aber beibehalten.
Bei der Anhörung im Sächsischen Landtag unterstützte die Konferenz sächsischer Studierendenschaften KSS den Linken-Entwurf. Sie mahnte allerdings an, dass mehr Forschungsfreiheit nicht zulasten der Lehre gehen dürfe. Einig waren sich jedoch alle Sachverständigen, die Austrittsmöglichkeit aus der verfassten Studierendenschaft in Sachsen wieder rückgängig zu machen. Michael Bartsch
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