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Hey, hey, hey, hier kommt Kalle!

Faulheit Dein Saugroboter, das unbekannte Wesen, übernimmt nicht nur den Haushalt, sondern strebt auch die Weltherrschaft an. Glaubt jedenfalls unsere Autorin – und bleibt misstrauisch

von Lieselotte Hoppenstedt

Maschinen werden die Weltherrschaft übernehmen – und ich bin schuld. Deshalb nenne ich nicht meinen richtigen Namen, die Scham ist zu groß. Dabei bin ich bei Weitem nicht die Einzige, die das Ende der Menschheit mit ihrem Verhalten besiegelt, Tausende, ach was, Zehntausende tun es mir gleich.

Faulheit treibt uns an, die Folgen sind uns egal. Was zählt schon der Verlust der menschlichen Rasse, wenn wir dafür nie wieder staubsaugen müssen?! Nie wieder mit krummem Rücken den Sauger vor uns her schiebend, schweißtriefend, danach zu nichts mehr zu gebrauchen, vor allem nicht dazu, jetzt auch noch den Boden feucht hinterher zu wischen? Nie wieder ärgern, wenn wir mit dem Metallrohr den 200 Jahre alten Eckschrank aus massiver Eiche angekratzt haben, weil wir keine Lust hatten, den Aufsatz aus Hartplastik aus der Abdeckung herauszupfriemeln?

Wie viele Stunden Lebenszeit haben wir vergeudet mit dieser sinnlosen Tätigkeit, weil kaum zwei Tage vergehen und die Wohnung aussieht, als wäre sie zwei Wochen nicht gesaugt worden?

Ist es nicht nachvollziehbar, will ich damit sagen, wenn wir unser Schicksal in die Saugdüse eines Staubsaugers legen?

Sehr viel nachvollziehbarer jedenfalls, als sich einen dieser Roboter-Rasenmäher (Rasenmäher-Roboter?) zuzulegen, die nervtötend laut durch den Nachbargarten rattern, nicht zulassen, dass das Gras an irgendeiner Stelle des Gartens höher als drei Zentimeter wächst, womit es mit der Lebendigkeit des Rasens dahin ist, in seinem natürlichen Wuchs permanent gehemmt. Staub muss nicht wachsen! Staub muss weg!

Während ich dieses Geständnis niederschreibe, fährt Kalle an mir vorüber, verrichtet mit leisem Brummen – normale Staubsauger sind lauter! – seine Arbeit. Ja, wir haben ihn Kalle genannt, besser: Meine Nachbarn waren es, die ihn ins Haus geholt haben und ihn jetzt mit allen Parteien ihrer Etage teilen. Welch niedlicher Name für einen Roboter! Als wäre er ganz harmlos, als wäre Kumpel „Kalle“ nicht Teil eines perfiden Plans der künstlichen Intelligenz, uns auszuspionieren und gleichzeitig abhängig zu machen.

Wohin das führt, lässt sich übrigens in dem Pixar-Animationsfilm „Wall-E“ besichtigen, ein Film über einen Aufräumroboter, der allein auf der vermüllten Erde zurückgeblieben ist. 700 Jahre in der Zukunft lassen sich fettleibige Menschen in einem Raumschiff von Maschinen bedienen, haben dabei aufgehört, sich zu bewegen und ihren freien Willen eingetauscht gegen Rund-um-die-Uhr-Konsum.

Wie realistisch dieses Szenario ist, wissen alle, die einen anderen Staubsauger-Roboter (oder Roboter-Staubsauger?) besitzen. Denn statt die gewonnene Zeit für etwas anderes zu nutzen, für ein paar Yogaübungen vielleicht oder das Zubereiten eines leichten vitaminreichen Mahls, sitzen wir zumeist starr vor Staunen auf dem Sofa und sehen dem Roboter zu. Magie!

„Brrr“, sagt Kalle und verschwindet unter dem Sofa, taucht nach wenigen Minuten wieder auf, um weiter seine Bahnen im Raum zu ziehen. Manchmal diagonal, manchmal in exakt geraden Bahnen wie vom Lineal gezogen.

Nähert er sich einem Hindernis, dem Fuß des 200 Jahre alten Schranks vielleicht, verlangsamt er sein Tempo und vorsichtig pirscht er sich saugend heran, seine Stoßstange vor sich herschiebend. Wenn er kann, umfährt er das Hindernis, unentwegt rotierend wischt seine Bürste den Staub aus den feinsten Ritzen in sein Innerstes.

Das Staunen weicht leichtem Unbehagen. Wie macht er das nur? Woher weiß er, wo er schon war? Wie kann er zwischen beweglichen und unbeweglichen Hindernissen unterscheiden? Warum fällt er die Treppe nicht runter? Was nimmt sein Radar eigentlich alles wahr? Wirklich nur die Raummaße? Und wohin überträgt er die gewonnen Daten mit seinem Wi-Fi?! Eine seiner Besitzerinnen bekommt jedes Mal eine Nachricht auf ihr Smartphone, wenn er aktiv ist – wer noch?

Erst vor vier Wochen machte die Meldung Schlagzeilen, dass die US-Firma I-Robot, Hersteller des Roboter-Staubsaugers (Staubsauger-Roboters?) „Roomba“ die beim Saugen gewonnenen Wohnungspläne an Apple, Google und Amazon verkaufen will. Das Unternehmen ruderte nach den Medienberichten zwar zurück und behauptete, niemals solche Pläne gehabt zu haben –, aber allein die Vorstellung, dass so etwas theoretisch möglich ist, reicht, um Kalle ein paar Tage nur misstrauische Blicke zu seiner Homestation auf dem Etagenflur zuzuwerfen und ihn nicht in die Wohnung zu lassen. Und hat er nicht auch irgendwie etwas Ekliges? Diese kreisrunde Form, die Art der Fortbewegung erinnert an Horseshoe Crabs, deutsch „Pfeilschwanzkrebse“, urzeitlich anmutende Viecher, den Spinnen näher verwandt als den Krebsen, mit 35 Zentimetern Durchmesser ähnlich groß wie die Exem­plare, die ich mal auf Long Island am Strand gesehen habe …

Er ist mir fremd, ich verstehe ihn nicht. Ich habe keine Anleitung, die ich lesen könnte, um zu erfahren, wie ich ihn nur auf bestimmte Areale ansetzen kann. Denn er ist ein unschlagbar günstiger Import aus China und spricht nur Chinesisch. „Kei-sche-ti-san“ sagt er, wenn er losfährt. Meine Nachbarin, die seine Sprache spricht, sagt, das bedeute so viel wie „Jetzt geht es los mit Saugen“ oder so, aber das Misstrauen bleibt.

Wie wohltuend war es daher, als ich ihn neulich aus misslicher Lage befreien musste. Er hatte sich in der Höhe eines Schranks getäuscht und war unter ihm stecken geblieben. Hilflos fand ich ihn dort, er konnte nicht vor, nicht zurück. Aber wahrscheinlich tat er dies mit Absicht, um mich zu täuschen, meine Fürsorglichkeit zu wecken.

Kall-E weiß genau, was er tut.

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